Panikattacken - Panikstörung:

Psychotherapie in Linz

Dr. Hans Morschitzky

Klinischer Psychologe, Psychotherapeut
Verhaltenstherapie, Systemische Familientherapie

A-4040 Linz, Hauptstraße 77
Tel.: 0043 732 778601 (Mo-Fr. 17:00-17:30)
[email protected]

Psychotherapieraum Dr. Morschitzky

Spezialisierung:

  • Angststörungen: Panikstörung, Generalisierte Angststörung, Agoraphobie, Soziale Phobie, Spezifische Phobien
  • Zwangsstörungen: Waschzwänge, Kontrollzwänge, Gedankenzwänge, Hypochondrie (gilt zukünftig im ICD-11 als Zwangsstörung)
  • Depressionen: längere depressive Reaktion, depressive Episode
  • Somatoforme und psychosomatische Störungen: körperliche Störungen ohne bzw. mit organischen Ursachen
  • Entfremdungsgefühle: Depersonalisationsstörung, Derealisationsstörung (zukünftig dissoziative Störung genannt)


Aufgrund von jahrzehntelanger Erfahrung erfolgt auch die Behandlung von Menschen mit anderen psychischen Störungen.  

Warteraum Dr. Morschitzky Praxis

Panikattacken

Im Mittelpunkt dieser Website steht - im Gegensatz zu meinen anderen Homepages https://panikattacken.at, www.angst-morschitzky.com, www.angst-panik-phobien.com und www.panikattacken.co - die Selbsthilfe bei Panikattacken.

Auf der Grundlage meiner jahrzehntelangen stationären und ambulanten psychotherapeutischen Erfahrung und meiner Bücher möchte ich Betroffene bei  der erfolgreichen Bewältigung von Panikattacken unterstützen.

Diesem Zweck dient mein Buch "Endlich leben ohne Panik".
 

Endlich leben ohne Panik: Selbsthilfebuch 

Buch Endlich leben ohne Panik


"Endlich leben ohne Panik" - das Buch

Dieses Buch beschreibt die vielfältigen Erscheinungsformen und Ursachen von Panikattacken.

Das Buch bietet neben Selbstbeurteilungsfragebögen ein wirksames Selbsthilfeprogramm in Form von 80 Strategien, die nach 8 Grundthemen gegliedert sind.

Pro Grundthema werden jeweils 10 Schritte dargestellt, die jeweils wiederum mehrere Übungen umfassen.

Alle 80 Ratschläge werden unter "Selbsthilfe" angeführt.

Dieses Buch ist aufgrund der erhöhten Nachfrage bereits in der  2., unveränderten Auflage erschienen.

Kernbotschaften Panikattacken


Autodateien meiner früheren Panik-App unter Nr. 1

Kernbotschaften - "Notfallkoffer"

Meine frühere, nicht mehr downloadbare Panik-App enthielt 10 Kernbotschaften, die zur erfolgreichen Bewältung von Panikattacken für viele Betroffene ohne weitere Strategien bereits ausreichend sind. 

Die nachfolgende Folie bietet einen Einblick in meine aus Kostengründen leider nicht mehr erhältliche Panik-App.

PanikApp Überblick

Der "Notfallkoffer" auf der Panik-App


Ich empfehle Ihnen, die zehn zentralen Selbstanweisungen mit Ihrem Handy, d.h. mit Ihrer eigenen Stimme, aufzunehmen und in Zusammenhang mit einer Panikattacke anzuhören.

1.  Nur ein heftiger Adrenalinstoß

Ich sage mir immer wieder folgende Sätze: 
"Panikattacken sind unangenehm, aber nicht gefährlich. Es handelt sich dabei nur um einen heftigen Adrenalinstoß. Ich kann dabei weder sterben noch verrückt werden."

2.  Kräftige Bewegung

Ich bewege mich bei einer Panikattacke so kräftig wie möglich, um den Adrenalinstoß abzubauen. 

Ich flüchte nicht aus der Situation, sondern bewege mich im Raum statt zu erstarren. 
Eine Panikattacke tritt häufig in Ruhe auf, sodass ich einfach nur überaktiviert bin. 

Ähnliche Symptome wie bei einer Panikattacke habe ich bei starker körperlicher Aktivität, wie etwa beim Sport oder bei der Arbeit, schon oft gehabt, ohne dass ich diese als gefährlich betrachtet habe. 

3.  Aufmerksamkeitslenkung auf die Umgebung

Ich lenke meine Aufmerksamkeit jetzt auf die Umgebung und nicht auf meinen Körper.
Ich konzentriere mich mit allen Sinnen ganz intensiv auf andere Menschen, auf Tiere, die Natur oder bestimmte Gegenstände, statt ständig meinen Körper ängstlich zu beobachten.

4.  Im Augenblick verweilen

Ich bleibe mit meiner ganzen Aufmerksamkeit und mit all meinen Sinnen ganz im Hier und Jetzt, im gegenwärtigen Augenblick, ohne mental in die Zukunft vorauszueilen, was Schlimmes passieren könnte, oder in die Vergangenheit zurück zu schweifen, wie heftig die stärkste Panikattacke damals war. 

Die Vergangenheit ist schon vorbei; ich kann sie nicht mehr ändern. 
Die Zukunft ist noch nicht da; ich kann sie jetzt noch nicht beeinflussen.
Die Gegenwart ist die einige Zeit, in der ich mein Leben nach meinen Wünschen und Bedürfnissen gestalten kann.

5.  Panikattacke als Trauma

Meine heftigste Panikattacke habe ich wie ein Trauma erlebt, als lebensbedrohliche Erfahrung - so wie jemand, der einen Unfall oder einen Überfall erlebt hat. 

Diese Attacke bleibt in meinem Gedächtnis weiterhin so gespeichert, wie ich sie erlebt habe, auch wenn ich danach erfahren habe und aufgrund medizinischer Aufklärung auch bereits weiß, dass ich daran nicht sterben kann. 

Ich muss lernen wie einer, der etwas Schlimmes erlebt hat, dass das Leben weitergeht. 
Ich muss die Chancen nutzen und durch viele positive Erfahrungen wieder das Vertrauen in meinen Körper zurückgewinnen. 

6.  Ausatmung bei Bewegung

Ich atme bei leicht geschlossenen Lippen langsam aus, und zwar 15 Sekunden lang pro Ausatmung. Ausatmen wirkt für meinen Körper entspannend. 

Im Rhythmus der Ausatmung strecke ich im Stehen gleichzeitig beide Arme nach vor oder ich bewege mich beim Ausatmen langsam Schritt für Schritt, wie etwa bei Qi Gong. 

Ich kann aber auch meine Hände gegen einen Widerstand drücken, während ich auf einem Ton wie "puh" ausatme, um meinen inneren Druck loszuwerden. 

Im Sitzen kann ich während der Ausatmung meinen Rücken gegen die Lehne drücken und dabei auf einem langgezogenen Ton wie "oooouuuummmm" ausatmen.

7.  Angst und Panik akzeptieren

Ich lasse meine Angst, Furcht und Panik ganz einfach zu, ohne sie zu unterdrücken.
Ich verzichte auf den kräfteraubenden Kampf gegen eine Panikattacke, denn jedes Dagegen-Ankämpfen erhöht nur meine Anspannung. 

Ich lasse die Attacke kommen und von allein wieder gehen. 

Ich kämpfe gegen die Erwartungsangst vor einer Panikattacke nicht an. 

Meine Angst vor der Angst darf durchaus sein, es kommt nur darauf an, dass ich trotzdem all das tue, was mir aufgrund meiner Werte und Ziele im Leben wichtig ist. 

Ich mache mir bewusst: Hinter jeder Angst steht ein Wunsch, nämlich dass das Gefürchtete nicht eintritt. 

Meine Wünsche sind ganz normal: ein langes Leben, die Erhaltung meiner Gesundheit, die bestmögliche berufliche Leistungsfähigkeit, die Verwirklich meiner Lebensträume, die Geborgenheit in meiner Partnerschaft und Familie, das Glück und Wohlbefinden meiner Angehörigen. 

Meine Ängste werden nicht krankhaft, wenn ich sie nicht ausufern und mein Leben dominieren lasse.

8. Gedanken und Vorstellungen auf Distanz halten

Ich mache mir bewusst: Meine Gedanken sind nur Gedanken, meine Vorstellungen sind nur Vorstellungen. Sie sind nicht die Realität. 

Nur weil ich etwas fürchte, wie etwa den Tod oder eine schwere Krankheit, ist noch lange nichts passiert. 

Aber es wäre schlimm, wenn das Gefürchtete eintreten würde, doch das ist jetzt nicht der Fall. 

Ich lasse mich gerade von meinem Körper täuschen: Einfach weil heftige Symptome auftreten, schließe ich daraus fälschlicherweise auf eine Gefahr für mein Leben.

9. Gefühle zulassen

Meine Körpersymptome spiegeln meine momentanen Gefühle wider. 

Meine Panikattacke ist Ausdruck einer starken Furcht, die einen Kampf-Flucht-Mechanismus oder eine plötzliche Erstarrung auslöst, wie bei echter Gefahr, obwohl gar keine Bedrohung besteht. 

Bei einer Panikattacke beschäftige ich mich nur mit meinem Körper, sodass ich von den Problemen mit meiner Umwelt abgelenkt bin. 

Ich sollte mir überlegen, durch welche Gefühle meine Panikattacken oft tatsächlich ausgelöst werden. 

Das kann heftige Wut bei gleichzeitiger Ohnmacht sein, bezogen auf mich selbst oder auf Personen meiner Umwelt. 

Das kann aber auch große Traurigkeit sein, die ich nicht zulassen möchte, weil ich mich dann schwach fühlen würde.

10. Nur für die Mutigsten

Ich beobachte meinen Körper und alle auftretenden Empfindungen aus einer gewissen Distanz wie ein Wissenschaftler, der den Ablauf einer Panikattacke untersuchen möchte. 

Ich spüre das Rasen meines Herzens, die Beklemmung in meiner Brust, die aufsteigenden Hitzegefühle, den Schwindel mit der Angst umzufallen, die Kälte meiner Hände und Füße, das Kribbeln in meinen Beinen, das Zittern meines Körpers, die Trockenheit meines Mundes, die heftige Übelkeit, das Gefühl, neben mir zu stehen, die Angst auszuflippen. 

Ich habe Todesangst, auch wenn ich weiß: Das ist jetzt nur meine nächste Panikattacke. 
Dieser Angstanfall ist wieder einmal sehr unangenehm, aber ich werde auch diesen überleben, so wie alle anderen bisher. 

Von der Angstneurose zu den Angststörungen


Vor dem ICD-10 aus dem Jahr 1992 – in Deutschland seit 2000 und in Österreich seit 2001 verbindlich – gab es im internationalen Diagnoseschema der WHO (konkret: im ICD-9) nur zwei Arten von Angststörungen:

1. Angstneurose

Sie wurde bereits von Sigmund Freud 1895 sehr beeindruckend definiert als eine Mischung von Panikattacken, entsprechenden Erwartungsängsten und allgemeiner Ängstlichkeit. Letztere macht nicht das aus, was heute als „Generalisierte Angststörung“ verstanden wird. 

2. Phobien 

Es bestand vor dem ICD-10 noch keine Unterteilung in verschiedene Formen. 


Neue psychiatrische Diagnostik seit den 1980er-Jahren


Die Revolution in der Diagnostik der Angststörungen begann mit dem amerikanischen psychiatrischen Diagnoseschema DSM-III aus dem Jahr 1980, in dem zahlreiche Angststörungen angeführt wurden.

Damals wurden erstmals die Panikstörung, die Generalisierte Angststörung sowie drei Arten von Phobien in ein Diagnoseschema aufgenommen.

Panikattacken wurden erstmals in der ersten Hälfte der 1960er-Jahre in den USA vom Psychiater Donald Klein beschrieben, der sie als primär biologische Störung verstand, ähnlich der damals sog. „endogenen“ Depression, die allgemein als Stoffwechselstörung des Gehirns angesehen wurde.

Zur längerfristigen Behandlung von Panikattacken verschrieb D. Klein das Antidepressivum Imipramin (Tofranil), zur Behandlung der Erwartungsängste einen Tranquilizer.       

Später wurde die rasch wirksame Tranquilizer-Substanz Alprazolam (Präparate Xanor, Xanax, Tafil) verordnet, anfangs in den USA in sehr hoher Dosis  (4-6 mg), bis man die Gefahr der raschen Abhängigkeit dieses Benzodiazepins erkannte, das man damals auch bei uns zusätzlich gegen leichtere depressive Zustände verschrieb.

Sehr wirksame psychotherapeutische Behandlungskonzepte seit dem Ende der 1980er-Jahre haben den Ruf der Verhaltenstherapie erhöht.

Der eigenständige Status der Generalisierten Angststörung war lange Zeit umstritten und ist heute gesichert (als Sorgenkrankheit in Form von ständigen, oft wechselnden Befürchtungen von Unglück jeder Art, vor allem in Bezug auf Familienangehörige). 



Panikstörung 


1. Phobien: krankhafte Furcht vor bestimmten äußeren Situationen („externen Reizen“)


F40.0  Agoraphobie: „multiple Situationsphobie“ mit umfangreichem Vermeidungs- und Kontrollverhalten
           F40.00  Agoraphobie ohne Panikstörung       
           F40.01  Agoraphobie mit Panikstörung

F40.1  Soziale Phobie: krankheitswertige Mittelpunkts- und Beurteilungsängste (Angst vor Kritik/Blamage)

F40.2  Spezifische Phobien: fünf Typen (mit Beispielen)

  • Tier-Typ: Spinnen, Insekten, Ratten, Schlangen, Hunde, Pferde 
  • Naturgewalten-Typ: Sturm, Wasser, Blitz, Donner, Höhen, Dunkelheit 
  • Blut-Spritzen-Verletzungstyp: Blutabnahme, Injektion, Zahnbehandlung 
  • Situativer Typ („Klaustrophobie“): enge oder überfüllte Räume bzw. Orte ohne ständige Fluchtmöglichkeit (Fahrstuhl, Tunnel, Flugzeug, öffentliche Verkehrsmittel, Kino, Kirche, Theater)
  • Andere Typen: Angst zu erbrechen, etwas zu verschlucken, Prüfungsangst (ohne Sozialphobie)


2. Sonstige Angststörungen (früher "Angstneurose" genannt) 


F41.0  Panikstörung: wiederholte spontane Panikattacken mit Erwartungsängsten vor weiteren Attacken

F41.1  Generalisierte Angststörung: unkontrollierbare Ängste und Sorgen um alles Mögliche 



Drei Arten normaler Angst


Angst 

Angst im Sinne einer Befürchtung/Erwartungsangst ist eine Reaktion auf unbestimmte Situationen oder Ereignisse in der näheren oder ferneren Zukunft.

Sich-Sorgen bzw. Sich-Sorgen-Machen im Sinne von produktiven (konstruktiven) bzw. unproduktiven (destruktiven) „Was wäre, wenn …?“-Szenarien sind die geistigen Komponenten der Angst.

Krankhafte Ausprägung: Generalisierte Angststörung


Furcht 

Furcht ist eine konkrete Angst angesichts einer gegenwärtigen Bedrohung.

Furcht ist situationsspezifisch: bezogen auf bestimmte Objekte, Orte, Situationen oder Ereignisse.

Furcht angesichts bestimmter Situationen führt bald zu entsprechenden Erwartungsängsten.

Krankhafte Ausprägung: alle Phobien.


Panik 

Panik im Sinne einer Panikattacke ist eine massive Furcht in Bezug auf eine vermeintliche akute körperliche oder geistige Bedrohung.

Aufgrund der spontanen, unerwarteten und plötzlich einsetzenden Überflutung durch eine Fülle von körperlichen und psychisch-mentalen Symptomen besteht eine akute Furcht im Sinne einer Bedrohung von Leib, Leben oder Verstand, was jedoch einen Fehlalarm darstellt.

Krankhafte Ausprägung: Panikstörung.



Zur bestmöglichen Behandlung und Selbstbehandlung von krankheitswertigen Ängsten ist die Einteilung in diese drei Grundformen von Angst sehr hilfreich.

Bei vielen Menschen mit Phobien stellen die zunehmenden Erwartungsängste, das heißt die ängstliche Erwartung phobischer Situationen, das Hauptproblem dar, längst vor der Konfrontation mit bestimmten phobischen Situationen.

Dann ist eine Konfrontationstherapie bei Agoraphobie trotz positiver Erfahrungen ohne zusätzliche Therapieelemente oft unzureichend, und zwar wegen des Restrisiko-Denkens. 

Diagnostik von Panikattacken


Eine Panikattacke ist eine einzelne Episode von intensiver Furcht oder intensivem Unwohlsein, die abrupt beginnt, innerhalb weniger Minuten ihren Höhepunkt erreicht und mit massiven körperlichen und kognitiven Symptomen einhergeht. 
Die Gesamtdauer beträgt meist fünf bis dreißig Minuten. 

Bei manchen Betroffenen verschwindet die Panikattacke ohne körperliche Folgezustände, bei anderen resultiert daraus ein mehrstündiger Erschöpfungszustand. 

Bei allen, die sich nur knapp dem Tod entronnen glaubten, bleibt eine Traumatisierung zurück – bei denen einen nur über einen kurzen, bei den anderen dagegen über einen langen Zeitraum. 

Eine Panikattacke tritt mit mindestens 4 von 14 körperlichen und psychischen Symptomen auf, wobei eines der Symptome 1-4 immer vorhanden sein muss. 

Die 10 körperlichen Symptome, derentwegen die Betroffenen anfangs meist eine akute körperliche Erkrankung fürchten, sind: 

 

  • unangenehmes Herzklopfen, Herzstolpern oder erhöhte Herzfrequenz,
  • Schweißausbrüche,
  • Hitzewallungen oder Kälteschauer,
  • fein- oder grobschlägiges Zittern,
  • Atembeschwerden,
  • Beklemmungsgefühle,
  • Schmerzen oder Missempfindungen im Brustbereich,
  • Übelkeit oder Unruhegefühl im Magen,
  • Mundtrockenheit,
  • Gefühllosigkeit oder Kribbelgefühle.

 

Daraus resultiert als 11. Symptom die Angst zu sterben. 

Drei psychische Symptome, die mit der Wahrnehmung und dem Geisteszustand zusammenhängen, lösen bei den Betroffenen oft die Furcht vor einer Erkrankung des Gehirns oder einer schweren geistigen Störung aus: 

 

  • Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit, 
  • Gefühl, die Realität sei unwirklich (Derealisation genannt) oder man selbst sei weit entfernt oder „nicht wirklich hier“ (Depersonalisation genannt),
  • Angst vor Kontrollverlust, verrückt zu werden oder „auszuflippen“.

 

Man unterscheidet zwei Arten von Panikattacken, was für die Art der Diagnose von großer Bedeutung ist: 


Unerwartete Panikattacken

Das Eintreten der Panikattacken hängt nicht von situativen Auslösern ab, sondern erfolgt spontan und unerwartet, ohne offensichtliche Auslöser. 

Je mehr und je heftiger derartige Panikattacken auftreten, desto ausgeprägter ist die Panikstörung.

 

Erwartete Panikattacken

Das Auftreten der Panikattacken erfolgt fast immer bei einer Konfrontation mit einem äußeren Reiz oder dessen Vorstellung (zum Beispiel bestimmte Verkehrsmittel, Tiere oder soziale Situationen). 

Wenn Panikattacken niemals spontan und unerwartet auftreten, sondern nur in phobischen Situationen, zeigen sie das Ausmaß der jeweiligen Phobie an, also einer Agoraphobie, einer Sozialen oder Spezifischen Phobie. 



Häufigste Symptome bei Panikattacken: Herzbeschwerden, Atemnot, Schwindel 

 

Drei Körpersymptome werden bei Panikattacken als besonders bedrohlich erlebt:

 

1.  Unangenehme Herzsensationen

Herzbeschwerden wie Herzklopfen bzw. Herzrasen mit und ohne Blutdruckanstieg, 

Atemnot, oft mit einem Beklemmungsgefühl im Brustkorb,  Schwindel bzw. Benommenheit. 


Wegen eines medizinisch völlig unbedenklichen, subjektiv jedoch als lebensbedrohlich erlebten Herzrasens oder Blutdruckanstiegs haben die meisten Betroffenen Angst vor einem Herzinfarkt. 


2. Störungen der Atmung

Atembeschwerden zeigen sich vor allem in Form von Kurzatmigkeit, Erstickungsgefühlen, Enge, Druck oder Schmerzen auf der Brust sowie Hyperventilation mit diversen Körpermissempfindungen. 

Wer nicht Angst zu ersticken bekommt, entwickelt wegen beunruhigender Schmerzen im linken Brustbereich oft eine Furcht vor einem Herzinfarkt. 


3. Starke Schwindelgefühle

Schwindel und Benommenheit mit subjektiver Stand- und Gangunsicherheit führen oft zu unberechtigten Ohnmachtsängsten. 

Die Angst, die Kontrolle über das Gleichgewicht zu verlieren und hilflos auf dem Boden zu liegen, egal, ob ohnmächtig oder bei klarem Verstand, ist oft Ausdruck des krampfhaften Bemühens, alles allein „durchstehen“ zu müssen und auf keinen Fall schwach sein zu dürfen. 

Diagnostik der Panikstörung


Panikattacken können nach dem neuen internationalen Diagnoseschema ICD-11 bei allen möglichen psychischen Störungen auftreten.

Die richtige Behandlung setzt die richtige Diagnostik voraus.

Viele Menschen und oft auch Fachleute sprechen von "Panikattacken" und meinen damit eine "Panikstörung", tatsächlich besteht bei genauerer Diagnostik nicht selten eine andere psychische Grunderkrankung.

Eine Panikattacke kann z.B. auch auftreten bei einer Zwangsstörung mit der Zwangsbefürchtung, sich selbst oder jemand anderem etwas Schlimmes anzutun.

Die Diagnose einer Panikstörung erfordert das wiederholte Auftreten von spontanen, nicht auf spezifische Situationen oder Objekte bezogenen Panikattacken.

Die Panikattacken sind auch nicht verbunden mit besonderer Anstrengung, gefährlichen oder lebensbedrohlichen Situationen.

Panikattacken im Rahmen einer Panikstörung treten - zumindest in der Anfangsphase - gleichsam wie der "Blitz aus heiterem Himmel" völlig unerwartet auf.

In weiterer Folge entwickelt sich aus der Erfahrung von Panikattacken, die oft sehr traumatisierend wirken können, eine ausgeprägte Erwartungsangst ("Angst vor der Angst"). 
 

Eine Panikstörung liegt auch dann vor, wenn nur ganz wenige Panikattacken spontan auftreten, die Betroffenen aber anhaltend von heftiger Sorge vor weiteren Anfällen geplagt werden und bestimmte Situationen nur mit starkem Unbehagen ertragen. 

Die erste Panikattacke stellt gewöhnlich ein intensives, existenziell bedrohliches und traumatisierendes Erlebnis, ein unvergessliches Vernichtungsgefühl dar. Totaler Kontrollverlusts und absolute Hilflosigkeit sind die dominierenden Gefühle. 

Oft werden die Betroffenen aus Angst vor einem Herzinfarkt unter dramatischen Bedingungen ins Krankenhaus gebracht oder zu Hause vom Notarzt untersucht. 

Viele lassen sich im Laufe der Zeit sogar mehrfach untersuchen, weil sie einfach nicht glauben können, dass es angesichts der Heftigkeit der Beschwerden keine organische Ursache geben soll. 

Der erste Angstanfall tritt oft außer Haus auf, häufig in Situationen der Entspannung, sodass die Betroffenen verständlicherweise keine psychische, sondern eine gefährliche körperliche Erkrankung vermuten. 

Wie war es bei Ihnen? War die erste oder eine spätere Panikattacke für Sie die schlimmste Erfahrung? Was waren Ihre Gedanken und Reaktionen? 

Schwere Ausprägung: Agoraphobie mit Panikstörung (F40.01)


Die Angst, in einer Angstsituation keine Fluchtmöglichkeit zu haben


Aufgrund von Erwartungsängsten entsteht im Laufe der Zeit häufig ein umfangreiches Vermeidungsverhalten im Sinn einer Agoraphobie.

Die Betroffenen meiden alle möglichen Situationen, in denen sie eine Panikattacke befürchten. In diesen Fällen lautet die Diagnose: Agoraphobie mit Panikstörung.

Doch auch allein zu Hause fühlen sich manche Menschen mit Panikattacken nicht mehr sicher genug, sodass immer eine Vertrauensperson anwesend sein oder per Handy erreichbar sein muss.

Bei einem Teil der Menschen mit einer Panikstörung entsteht also aufgrund des bevorzugten Auftretens der Panikattacken in bestimmten Situationen, wie etwa auf der Autobahn, in einem Supermarkt, im Kino, in der Kirche, in einem öffentlichen Verkehrsmittel, in einer Menschenmenge bei einer sportlichen oder künstlerischen Großveranstaltung oder im Flugzeug, eine ausgeprägte Agoraphobie.

Die Betroffenen entwickeln ein Vermeidungsverhalten, um den erwarteten und daher bereits längst vorher gefürchteten Panikattacken zu entkommen, allerdings um den Preis einer immer größeren Einengung des Lebens, bis hin zu einer erheblichen Beeinträchtigung der schulischen, beruflichen, familiären, sozialen und privaten Funktionsfähigkeit, mit der Folge von Langzeitkrankenständen, dauerhafter Arbeitsunfähigkeit, Depressionen und Missbrauch bzw. Abhängigkeit von Alkohol oder Beruhigungsmitteln. 

Im schlimmsten Fall fürchten die Betroffenen aufgrund ihrer Todesangst nicht nur das Alleinsein außer Haus, sondern sogar in der eigenen Wohnung, weil nicht jederzeit eine Soforthilfe zur Verfügung stehen könnte. 

Die Betroffenen werden von Bezugspersonen abhängig wie ein kleines Kind oder bleiben von medizinischen Institutionen abhängig wie körperlich schwer kranke Menschen. Sie rufen oft die Rettung und lassen sich unnötig oft stationär untersuchen wegen vermeintlicher körperlicher Erkrankungen. 

Bei Personen, die in der Folge von Panikattacken eine Agoraphobie entwickelt haben, können sich im Laufe der Zeit zwar die Panikattacken vermindern, doch nur um den Preis eines zunehmenden Vermeidungsverhaltens gegenüber Situationen, in denen möglicherweise Panikattacken auftreten könnten. 

Wenn eine Agoraphobie mit Panikstörung chronifiziert, hat sie ohne Behandlung und ohne wirksame Selbsthilfestrategien oft einen schlechteren Verlauf als eine Depression. 


Das Wesen einer Agoraphobie – hinter der Angst vor der Umwelt steckt die Angst vor dem eigenen Körper 


Eine Agoraphobie (deutsch „Platzangst“ genannt) ist eine starke und anhaltende Furcht und Vermeidungsreaktion in Bezug auf mindestens zwei von vier Situationen: Menschenmengen, öffentliche Plätze, allein Reisen sowie weite Reisen. Dabei treten mindestens zwei der 14 Symptome einer Panikattacke auf. 

Man unterscheidet zwischen einer Agoraphobie mit und ohne Panikstörung. Eine Agoraphobie geht nicht notwendigerweise mit Panikattacken einher, sie kann auch mit gewissen einzelnen unangenehmen Symptomen, wie etwa Schwindel, Schwächegefühlen, Harn- oder Stuhldrang, auftreten. 

Je nach Studie leiden zwei bis vier Prozent der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens unter einer Agoraphobie. Ohne Behandlung neigt eine Agoraphobie eher zur Chronifizierung als eine reine Panikstörung. 

Eine Panikattacke in einer eindeutig phobischen Situation (z.B. im Lift, auf der Autobahn, in einem Supermarkt) zeigt, wie bereits erwähnt, den Schweregrad der Phobie an und macht noch keine Panikstörung aus – zu ihr gehören auch spontane Angstattacken „aus heiterem Himmel“. 

Früher hat man die Agoraphobie als „Angst vor Plätzen“ im Freien der Klaustrophobie als „Angst vor engen Räumen“ gegenübergestellt.

Heutzutage wird mit Agoraphobie jede Form des Unbehagens bezeichnet, wenn Betroffene ihre gewohnte und sichere Umgebung verlassen, keine beschützenden und vertrauten Personen um sich haben und keine Fluchtmöglichkeit vorfinden. Das zentrale Gefühl ist der subjektive Eindruck, in der Falle zu sitzen. 

Agoraphobiker*innen fürchten sich nicht primär vor bestimmten Orten, Situationen oder Menschenansammlungen, sondern davor, dass ihnen dort etwas Schlimmes passieren könnte.

Allein und schutzlos sein, ohne ein sogenanntes Sicherheitssignal, wie etwa vertraute Person, Handy, Medikament, Fluchtweg oder etwas zum Anhalten, das ist ihre Angst. Sie leiden darunter, eine Situation nicht kontrollieren zu können, doch nicht die Angst vor der fremden Umgebung dominiert, sondern vielmehr die Angst vor dem eigenen Körper. 

Die Phobie ist so dominant, dass weder vernünftige Argumente von außen noch bereits positiv gemeisterte, ähnliche Situationen etwas fruchten. 

Die Betroffenen befürchten, die Kontrolle über sich und ihren Körper zu verlieren, plötzlich ohnmächtig umzufallen und womöglich mit einem Herzinfarkt hilflos liegen zu bleiben. 

Im Laufe der Zeit entwickelt sich ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten.
Die Betroffenen lassen sich entweder auf bestimmte gefürchtete Situationen überhaupt nicht mehr ein oder sie verharren in ständiger Fluchtbereitschaft bis hin zu tatsächlicher Flucht.

Sie haben Angst, sie könnten etwas Unkontrolliertes tun, wie etwa während einer Opernaufführung laut schreien oder im Flugzeug toben. 

Sie befürchten, sie könnten in einem Geschäft ohnmächtig umfallen, laut schreien, öffentlich weinen oder gar verrückt werden. 


Viele Agoraphobiker*innen leiden chronisch oder situationsbezogen unter sehr unangenehmen Schwindelgefühlen, was ihre unberechtigten Ohnmachtsängste noch verstärkt.

Derartige Schwindelzustände hängen nicht mit einem niedrigen Blutdruck oder mit dem Gleichgewichtsorgan im Ohr zusammen.

Dieser Schwankschwindel beruht vielmehr auf einer massiven muskulären Verspannung, die zu einer Stand- und Gangunsicherheit geführt hat.

Ein plötzlich auftretender Schwindel In phobischen Situationen wird als "phobischer Attackenschwindel" bezeichnet.

 

Das weite Feld der Agoraphobie – welche Situationen vermeiden Sie? 


Eine Agoraphobie unterscheidet sich von einer spezifischen Phobie (z.B. ausschließlich Angst vor dem Liftfahren oder vor dem Fliegen) durch die Furcht der Betroffenen vor einer Unzahl an Orten und Situationen. 

Welche der folgenden Orte und Situationen meiden Sie gänzlich, welche teilweise, welche können Sie nur mit großer Überwindung aushalten? 


Hier einige Beispiele für das, was Sie vielleicht vermeiden: 

 

  • Orte und Tätigkeiten im Freien unter vielen Menschen oder bei fehlender Fluchtmöglichkeit: überfüllte öffentliche Plätze oder Fußgängerzonen, unbekannte Gegenden, öffentliche Veranstaltungen, größere Verkehrsstaus, längere Tunnel, längere Brücken, längere Fahrradfahrten, Bootsfahrten, Bergsteigen, Waldlauf. Mit Ausnahme von Schwindel-Patienten haben Menschen mit Agoraphobie kaum Angst vor großen, leeren Plätzen, denn hier fühlen sie sich in ihrer Bewegungsfreiheit nicht eingeschränkt. 


  • Berufliche oder private Reisen über eine bestimmte Entfernung hinaus, die keine rasche Rückkehr ermöglichen, Reisen in anderssprachige oder unbekannte Länder, Urlaub auf einer Insel. 


  • Öffentliche Verkehrsmittel wie Zug, Bus, Straßenbahn, U-Bahn, Flugzeug, Schiff, Sessellift, Gondel, Aufzug oder Rolltreppen, manchmal auch Fahrten mit dem eigenen Auto, vor allem auf Autobahnen, wo bei vermeintlicher Gefahr kein Entkommen möglich ist. 


  • Aufenthalt in öffentlichen oder halb öffentlichen Räumen (besonders wenn diese überfüllt sind): Geschäfte, Supermärkte, Kirchen, Kinos, Museen, Theater, Konzertsäle, Stadien, Banken, Behörden, Krankenhäuser, Gaststätten, Cafés, Kantinen, Hörsäle, Friseursalons, Saunaanlagen, Hallen- oder Freiluftbäder, Schlange stehen in Geschäften und bei Behörden, Arbeiten in Großraumbüros, Teilnahme an Betriebsversammlungen, Sportveranstaltungen oder großen Feiern (z.B. Hochzeit). 


  • Aufenthalt in engen, hohen, geschlossenen oder dunklen Räumen: Aufzüge, Gondeln, Räume ohne Fenster, Toiletten oder Badezimmer mit verschlossenen Türen, Diskotheken, Kellerräume, Höhlen, unterirdische Gänge, Tunnelgänge, Passagen, Hochhausräume, Kirchtürme, Fernsehtürme, dunkle Schlafzimmer, Aufenthalt allein in großen Räumen. 

 

Perfekte Vermeidungsstrategien – unterwegs mit vielen Tricks und Notlügen 


Aus Angst vor einer Panikattacke oder einer panikähnlichen Symptomatik – wie etwa Schwindel, Harn- oder Stuhldrang – verwenden Agoraphobiker*innen oft zahlreiche Tricks und Ausflüchte.

Bestimmte Sicherheitsverhaltensweisen oder Sicherheitssignale erleichtern das Durchhalten: 

 

  • Beruhigungsmittel und Handy in der Tasche, 
  • Trinkflasche zur Verhinderung von Mundtrockenheit oder Engegefühlen in der Kehle, 
  • die Gegenwart des Partners, eines Kindes, anderer Vertrauenspersonen oder eines Hundes, 
  • das Wissen um die nächste Arztpraxis oder das nächste Krankenhaus, 
  • Sitzplatzwahl im Kino oder Theater am Rand, oder man bleibt gleich beim Ausgang stehen, 
  • eine Gehhilfe bei Schwindel oder Ohnmachtsangst, wie etwa Spazierstock, Schirm, Kinderwagen oder Einkaufswagen. 

 

Beliebt sind Ausreden und Notlügen, wie etwa: 

 

„Ich habe Kopfschmerzen, Kreislaufbeschwerden, Magenschmerzen.“ 

„Ich bin krank und muss zu Hause bleiben.“ 

„Ich kann nicht kommen, weil ich noch dringende Arbeiten erledigen muss.“ 

„Ohne meinen Mann habe ich keine Lust, dorthin zu gehen.“ 

  

Wie eine Agoraphobie entsteht – einfache Erklärungen, aber folgenschwere Auswirkungen 

Die Entwicklung einer Agoraphobie nach Panikattacken lässt sich durch bestimmte Lernprinzipien gut erklären.

Nach dem Lerngesetz der klassischen Konditionierung hat sich das Gehirn alle körperlichen und situativen Umstände gemerkt, unter denen die Panikattacke aufgetreten ist. Ähnliche Gegebenheiten lösen daher schneller eine neuerliche Panikattacke aus; zuvor waren neutrale Faktoren gar nicht besonders beachtet worden. 

Nach dem Lerngesetz der operanten Konditionierung (Variante „negative Verstärkung“) können die Betroffenen eine rasche Befindlichkeitsverbesserung erreichen, wenn sie aus der subjektiv bedrohlichen Situation fliehen können, wie etwa dem Geschäft, dem Kino oder Lift, dem öffentliches Verkehrsmittel oder der Autobahn. Aufgrund dieser erfahrenen Erleichterung neigen sie in ähnlichen Situationen rascher zur Flucht. 

Typisch ist im Einzelnen folgende Entstehungsgeschichte

 

  • Auftreten an einem ursprünglich neutralen Ort. An einem bestimmten, bisher nicht gefürchteten Ort, wie etwa einem Supermarkt, einem Kino, einem Restaurant, einem Veranstaltungssaal, einem öffentlichen Verkehrsmittel, einer Autobahn, einer Wohnung oder dem Arbeitsplatz, tritt eine erste Panikattacke auf bzw. eine panikähnliche Reaktion (Übelkeit, Schwindel, Harn- oder Stuhldrang). Die Vorgeschichte weist oft eine länger dauernde psychosoziale Belastungssituation auf, die mit dem Ort der Panikattacke überhaupt nichts zu tun hat. 


  • Flucht bringt Erleichterung. Die panische Reaktionsbereitschaft wird verstärkt durch die Erfahrung, dass durch das plötzliche Verlassen des Ortes die körperlichen Symptome bald verschwinden und durch das konsequente Meiden subjektiv bedrohlicher Situationen vorerst keine weiteren Panikattacken mehr auftreten. 


  • Zunehmende Generalisierung des Vermeidungsverhaltens. Mangels fehlender Bewältigungsstrategien werden sicherheitshalber immer mehr ähnliche Orte gemieden. Wurde die Panik im Bus oder im Supermarkt ausgelöst, so werden bald alle öffentlichen Verkehrsmittel und alle Geschäfte als potenziell bedrohlich gemieden. Aufgrund der zunehmenden Generalisierung der gefürchteten Orte engt sich der Aktionsradius der Betroffenen immer mehr ein, bis diese schließlich die Wohnung überhaupt nicht mehr allein verlassen können. 


  • Bestimmte Sicherheitssignale helfen kurzfristig, vermindern jedoch langfristig das Selbstvertrauen. Verschiedene Hilfsmittel, wie etwa Vertrauenspersonen, Beruhigungsmittel, Alkohol oder Handy, schwächen das Vertrauen in die eigenen Handlungsmöglichkeiten immer mehr. Als Folge davon entsteht eine zunehmende psychische oder sogar auch körperliche Abhängigkeit von den Hilfsmitteln. Im schlimmsten Fall entwickelt sich eine massive Beeinträchtigung der sozialen und beruflichen Belastbarkeit bis hin zur Arbeitsunfähigkeit. 

 

Das lerntheoretische Erklärungsmodell ist in vielen Fällen durchaus ausreichend. Die Wirklichkeit ist jedoch oft viel komplexer.

Vor dem Auftreten einer Agoraphobie mit Panikstörung bestehen bei den Betroffenen häufig belastende Faktoren:

Todesfälle oder schwere Erkrankungen von Verwandten oder Bekannten, eigene schwere Krankheiten mit unsicherem Ausgang, Ängste vor Tod, Behinderung oder Krankheit, Ehekrisen, Folgen einer Scheidung, die Gefährdung des Arbeitsplatzes, eine unerwartete Kündigung, eine finanzielle Notlage, ein Konkurs, eine Sinnkrise, ein Umzug mit sozialer Isolierung, eine schwere Kränkung oder Enttäuschung durch einen Bekannten, die physische oder psychische Bedrohung durch jemand, von dem man abhängig ist. 

Eine reine Symptombehandlung ohne Bewältigung der tiefer liegenden Probleme ist oft unzureichend oder erhöht die Rückfallswahrscheinlichkeit

Die Probleme der Betroffenen dürfen nicht reduziert werden auf die ausufernde Agoraphobie mit Panikstörung. 

Die Angst ohnmächtig zu werden, physisch zusammenzubrechen, psychisch aus dem Tief nicht mehr herauszukommen, geistig durchzudrehen, keinen Ausweg mehr zu wissen, buchstäblich „in der Falle zu sitzen“, stellt häufig die Reaktion auf reale und nicht nur auf befürchtete Umstände dar. 

Traumatisierende Erlebnisse aus früherer Zeit, wie etwa die Scheidung der Eltern, können in neuen Situationen, zum Beispiel bei eigenen Ehekrisen, ebenfalls hochkommen. 

Jede Form von Einsam- und Verlassen-Fühlen, wie dies in agoraphobischen Situationen häufig der Fall ist, kann eine frühere fundamentale Erfahrung von Hilflosigkeit, Ausgeliefert-Sein und Geborgenheitsverlust reaktivieren.

Mangelnde Bindungssicherheit in der Kindheit oder reale psychische Verwundungen im späteren Leben haben oft dazu geführt, dass sich das Vertrauen in andere Menschen sowie in die eigenen Fähigkeiten nicht ausreichend entwickeln konnte. 

Viele Betroffene erzwingen durch ihre Agoraphobie auf Kosten ihrer Autonomie und Unabhängigkeit die Nähe und Anwesenheit einer bestimmten Bezugsperson wie dem Partner oder der Mutter. Sie erreichen damit eine oberflächliche Bindung, eine Pseudonähe, wie sie vorher in dieser Weise nicht bestanden hat. 

Zentrale Therapieziele sind neben der Angst- und Panikbewältigung die Verbesserung des Selbstvertrauens und Sicherheitsgefühls sowie der Aufbau von Kompetenz.
 

Falls Sie eine Agoraphobie mit oder ohne Panikstörung haben: In welchen Ausführungen erkennen Sie sich besonders gut wieder, was trifft auf Sie (glücklicherweise) nicht zu? 

Zwei Arten von Agoraphobie: mit und ohne Panikstörung

F40.00  Agoraphobie ohne Panikstörung

Es besteht ein Vermeidungsverhalten aus Angst vor bestimmten körperlichen Symptomen wie Schwindel, Übelkeit, Schwitzen, Harn- oder Stuhldrang ohne volle Panikattacke in bestimmten  Situationen, oft zusätzlich verstärkt durch die Angst, dadurch unangenehm aufzufallen. 


F40.01  Agoraphobie mit Panikstörung

Es besteht ein Vermeidungsverhalten aus Angst vor Panikattacken in bestimmten Situationen, in denen  es nicht jederzeit möglich ist, einer befürchteten Panikattacke zu entkommen. 


Die Unterscheidung in zwei Arten von Agoraphobie wird im ICD-11 aufgegeben.

Panikattacken bei anderen psychischen Störungen


Panikattacken treten nach dem amerikanischen Diagnoseschema DSM-5 und dem neunen internationalen Diagnoseschema ICD-11 nicht nur im Rahmen einer Panikstörung auf, sondern auch bei allen anderen Angststörungen und sonstigen psychischen Störungen (z.B. bei Zwangsstörungen oder Depressionen), sogar auch nach körperlichen Erkrankungen, wie etwa nach einem Herzinfarkt oder einer Lungenembolie.

Derartige Attacken drücken dann die Schwere einer Phobie oder einer Depression aus bzw. das psychisch relevante Ausmaß einer körperlichen Erkrankung. Panikattacken verkomplizieren den Verlauf einer psychischen oder körperlichen Erkrankung. 


Eine ursprünglich reine Panikstörung führt bei unzureichender Behandlung im Laufe der Zeit laut Studien sowie auch nach meiner eigenen jahrzehntelangen stationären und ambulanten psychotherapeutischen Erfahrung häufig zu zahlreichen psychischen Folgestörungen: Agoraphobie, Depression, Hypochondrie, Substanzmissbrauch/-abhängigkeit, Somatisierungsstörung (= viele Symptome mindestens 2 Jahre lang).  


Die Behandlung der Grundstörung muss zuerst erfolgen, bevor die Betroffenen mit den Panikattacken erfolgreich umgehen können, obwohl sich die Betroffenen oft noch immer als reine Panik-PatientInnen ohne weitere erhebliche psychische Störung verstehen, das heißt, sie verharmlosen die oft mittlerweile eingetretene psychische Folgestörung und deren Auswirkung auf das berufliche und private Leben. 


Gefürchtete Panikattacken ohne ausreichende Bewältigungsstrategien sind oft der Grund, warum sich bei vielen Betroffenen im Laufe der Zeit eine immer stärker ausufernde Agoraphobie entwickelt.

Ein entsprechendes Bewältigungstraining in Bezug auf Panikattacken ist vor einer Konfrontationstherapie (Exposition) ebenso sinnvoll wie ein soziales Kompetenztraining bei Menschen mit einer Sozialen Phobie, da bei Fertigkeitsdefiziten noch weniger als sonst die angestrebte Habituation (Gewöhnung) eintritt.

Das ist eine neuere Sichtweise in der Verhaltenstherapie:
Es geht in agoraphobischen Situationen um die Hemmung der ängstlichen Vermeidungsreaktion durch neue Lernerfahrungen und nicht um die Habituation bezüglich der gefürchteten Panikattacken.  

Häufigkeit – Mehrfacherkrankungen – Folgekrankheiten


Eine Panikstörung kommt in der Bevölkerung bei 2 % (Deutschland) bzw. 3 % (USA) vor. Vereinzelte Panikattacken erleiden 20-30 % der Bevölkerung.


Panikattacken treten bei allen möglichen psychischen Störungen auf (vor allem bei allen Arten von Phobien sowie bei Posttraumatischer Belastungsstörung oder Zwangsstörung, aber auch nach Missbrauch bzw. Abhängigkeit von Substanzen (Alkohol oder illegale Drogen) sowie nach körperlichen Erkrankungen (z.B. nach einem Herzinfarkt).


Im Langzeitverlauf entwickeln sich oft folgende psychische Störungen: Hypochondrie, Alkohol- oder Tranquilizerabhängigkeit, depressive Episoden, somatoforme Störungen (vor allem eine Somatisierungsstörung). 


Die Mehrfacherkrankung (Komorbidität) von Panikstörung mit Agoraphobie, rezividierender (wiederholter) depressiver Episode oder Substanzabhängigkeit führt oft zu langen Krankenständen, bis hin zur Arbeitsunfähigkeit. 

Fünf zentrale Bedrohungsszenarien bei Ängsten (nähere Darstellung im Buch „Wenn Angst das Leben bestimmt“):


1.  Bedrohung des körperlichen Wohlbefindens

Angst vor Krankheit, Behinderung, Tod, Angst vor Schmerzen und körperlichem Unwohlsein – bei Panikstörung, Agoraphobie, Herzphobie, Krankheitsängsten (Hypochondrie), Generalisierter Angststörung (z.B. Angst vor Leistungsunfähigkeit durch Krankheit, Sorgen um schwere Erkrankung von Angehörigen), den meisten spezifischen Phobien. 


2.  Bedrohung der sozioökonomischen (existenziellen) Sicherheit

Existenzsorgen, Angst vor sozialem Abstieg, Angst vor dem Alter,  Angst, sich und die Familie nicht mehr erhalten zu können, Bedrohung durch unsichere Gesellschaftsstrukturen – bei Panikattacken, Generalisierter Angststörung.

3.  Bedrohung der Geborgenheit (der Bindungen und Sozialbeziehungen)

Sorgen um das psychosoziale Wohlbefinden – bei Trennungsangststörung, Panikattacken, Generalisierter Angststörung (Sorgen um die Familienmitglieder).

4.  Bedrohung des Selbstwertgefühls

Soziale Ängste, Leistungs- und Versagensängste privat und im Beruf, Angst vor Verlust von Selbstachtung und Selbstwirksamkeitsglauben – bei Sozialer Phobie, Panikattacken.

5.  Bedrohung des Kontrollbedürfnisses und der Autonomie

Angst vor Kontrollverlust (über den Körper, die Gefühle, den Verstand), vor jeder Form von Fremdbestimmung und situativer Einengung – bei Panikattacken (gefürchteter Kontrollverlust über sich selbst), Agoraphobie (Gefühl, hilflos in der Falle zu sitzen), zahlreichen Spezifischen Phobien (z.B. Flug- oder Liftphobie, wo kein sofortiges Entkommen möglich ist). 

Falsche Denkmuster bei Panikattacken


Menschen mit Panikattacken neigen zur katastrophenartigen Fehlinterpretation von medizinisch gesehen harmlosen körperlichen und psychischen Symptomen: 

 

  • „Mein Herz rast – gleich bekomme ich einen Herzinfarkt.“ 
  • „Mein Hals ist wie zugeschnürt – gleich bekomme ich keine Luft.“ 
  • „Ich bekomme keine Luft – jetzt muss ich ersticken.“
  • „Ich bin ganz schwindlig – gleich falle ich ohnmächtig um.“ 
  • „Ich habe Taubheits- und Kribbelgefühle – gleich bekomme ich einen Schlaganfall.“ 
  • „Ich kann nicht klar denken – gleich verliere ich die Kontrolle über meinen Verstand.“ 
  • „Ich habe einen großen inneren Druck – gleich verliere ich die Kontrolle und mache etwas Schlimmes, indem ich mir oder anderen etwas antue.“
  • „Ich stehe ganz neben mehr – gleich werde ich verrückt.“


Dies entspricht dem bekannten und vielzitierten, hier nicht wörtlich, sondern sinngemäß wiedergegebenen Spruch des griechischen Philosophen Epiktet:

"Nicht die Dinge an sich sind es, die uns beruhigen, sondern die Art und Weise, wie wir sie sehen."

Grundprobleme von Menschen mit Angststörungen


Probleme durch fehlende Information bzw. fehlende Akzeptanz neurobiologischer Vorgänge
Information (Psychoedukation) über Körper-Seele-Zusammenhänge ist daher sehr wichtig!

Probleme durch den ständigen Kampf gegen Ängste statt Realisierung der dahinterstehenden Wünsche
Es geht um ein erfülltes Leben durch Handeln auf der Basis zentraler Werte. 
Oft haben die Betroffenen keine attraktiven Ziele jenseits von Angst, Furcht und Panik.
 

Probleme durch eine „Wohlfühl-Ideologie“
Wichtig ist ein werte- und zielorientiertes Handeln trotz negativer Emotionen statt ständigem Abwarten. 

Probleme, in der Gegenwart zu leben
Angst-Patienten fühlen sich ständig von einer unsicheren Zukunft bedroht und leben nicht im Hier-und-Jetzt. 

Probleme, Unsicherheit und Restrisiko zu tolerieren
Der Verzicht auf Perfektionismus als Mittel der Angstminimierung ist sehr wichtig. 

Probleme durch übermäßiges Kontrollbedürfnis
Die krampfhafte Überkontrolle verhindert jede Spontaneität sowie neue Erfahrungen.

Probleme durch mangelnde Differenzierung zwischen realen und fantasierten Gefahren
Eine bessere Differenzierungsfähigkeit muss gefördert werden. 

Probleme, das Angstgedächtnis durch das Erfolgsgedächtnis zu hemmen
Ziel ist die Verbesserung des sogenannten. „Extinktionslernens“, wie dies Fachleute bezeichnen. Menschen mit Angststörungen sollen neue Erfahrungen machen durch das "Überschreiben" der negativen Erfahrungen mithilfe von positiven Erlebnissen, ohne dass die negativen Erlebnisse deswegen gelöscht werden können und auch gar nicht müssen, denn in Extremfällen kann gerade die Erinnerung an eine echte Gefahr lebensrettend sein. 

Probleme im Umgang mit Emotionen
Die Betroffenen müssen ihre Emotionen wahrnehmen, zulassen und verbalisieren lernen. Das ist eine Leistung des Großhirns (Cortex). 

Probleme durch negative Schemata
Die Erkenntnisse der Schematherapie als lebensgeschichtlich prägende Erfahrungen müssen berücksichtigt werden. 

Probleme durch schädliche Denkmuster
Falsche Bewertungen sollten so weit als möglich geändert werden (z.B. bei Panikattacken und Sozialer Phobie).

Probleme durch falsche Schlussfolgerungen von körperlicher Erregung auf reale Gefahr („emotionaler Trugschluss“)
Die Betroffenen schließen von Ihren inneren Empfindungen auf die äußere Realität: „Weil ich körperlich so stark erregt bin, muss eine reale Gefahr bestehen.“ 

Probleme, sich von Angst machenden Gedanken, bildhaften Vorstellungen und Horror-Szenarien (Worst-Case-Szenarien) zu distanzieren
Hilfreich ist das bekannte Achtsamkeitskonzept: „Das sind nur Gedanken und Bilder, das ist nicht die Realität, das sind nur meine Vorstellungen von der Wirklichkeit.“

Probleme durch kognitives, emotionales und reales Vermeiden
Jede Erlebnisvermeidung verhindert Erfolgserlebnisse und macht schließlich depressiv. 

Probleme durch die Vermischung von interaktionellen und intrapsychischen Aspekten
Angststörungen sind letztlich Beziehungsstörungen mit der eigenen Person – oft ausgelöst und verstärkt durch Beziehungsstörungen mit wichtigen Bezugspersonen. 
Beides muss man auseinanderhalten und sukzessive bewältigen.

Probleme, sich auf neue Situationen einzustellen
Angststörungen treten oft in Übergangsphasen des Lebens auf (z.B Auszug von zu Hause, Ausbildungsende, Heirat, Scheidung, Familiengründung, Berufswechsel). 
Es besteht eine Angst vor dem Neuen und Unbekannten aufgrund von geringem Selbstwirksamkeitsglauben.  

Aufgabenstellung: in der Gegenwart leben

Menschen mit psychischen Problemen leben geistig entweder zu viel in der Vergangenheit (wie Depressive: ständiges Grübeln, englisch: Ruminations) oder zu viel in der Zukunft (wie Angstkranke: ständiges unproduktives Sich-Sorgen-Machen über alles und jedes, englisch: Worries). 


Die Chancen in der Gegenwart können durch anhaltendes Grübeln und ständiges Sich-Sorgen-Machen nicht voll genutzt werden. Handeln ist nur im Hier und Jetzt möglich! Die Vergangenheit ist schon vorbei und die Zukunft noch nicht da.

 

Menschen mit Angststörungen konzentrieren sich einseitig darauf, welche Probleme, Gefahren und Katastrophen sie unbedingt vermeiden möchten (sie haben eine ausgeprägt Restrisiko-Fixierung),  statt darauf, was sie im Moment ganz konkret tun können, damit ihr Leben so wie gewünscht verläuft.


Bei Angststörungen sollte die Aufmerksamkeit auf die Gegenwart, auf das Hier und Jetzt, gelenkt werden und anhaltend im Mittelpunkt stehen. Diese auf den Augenblick und die Gegenwart bezogene Haltung ist erlernbar durch ein Achtsamkeitstraining nach Jon Kabat-Zinn (MBSR).


Hilfreich sind folgende Fragen:


  • Was können Sie jetzt tun, damit es Ihnen und anderen jetzt gut bzw. besser geht? 
  • Was können bzw. sollten Sie jetzt tun, damit es Ihnen und anderen in Zukunft besser geht?

Der Teufelskreis der Angst – von einem harmlosen Symptom zur bedrohlichen Panikattacke

 
Es ist von zentraler Bedeutung, dass Sie bei Panikattacken den Teufelskreis der Angst verstehen lernen.

Die Betroffenen schaukeln anfangs aus Unwissenheit bestimmte medizinisch harmlose körperliche Empfindungen bis zu einer Panikattacke oder einer panikähnlichen Symptomatik auf.

Die Betroffenen nehmen bestimmte körperliche Symptome übertrieben wahr und bewerten diese fälschlich als Zeichen höchster Gefahr.

Die Angstspirale hat folgenden typischen Ablauf: 
 

  • Anfangs sind es harmlose körperliche Veränderungen, z.B. Herzrasen, Schwindel, Atemnot oder Übelkeit. Es können aber auch seelische Empfindungen, wie etwa Entfremdungsgefühle oder geistige Müdigkeit, sein. 


  • Die Betroffenen bemerken diese Veränderungen und wenden sich ihnen verstärkt zu. Die Zuwendung ist umso intensiver, je mehr die Betroffenen durch eine frühere Panikattacke bereits darauf sensibilisiert sind. 


  • Diese körperlichen oder seelischen Symptome, die oft normale Stress- oder Nachstresssymptome darstellen, werden mangels anderer Erklärungsmöglichkeiten als gefährlich beurteilt. Typische Denkmuster sind: „Mein Herz schlägt so schnell, dass ich gleich einen Herzinfarkt bekomme“; „Ich habe so einen Druck auf der Brust, dass ich keine Luft bekomme und ersticken muss“; „Ich kann nicht mehr klar denken, gleich schnappe ich über und werde in die geschlossene Psychiatrie eingeliefert.“ 


  • Die Bewertung, die auftretenden Symptome seien gefährlich, führt zu erheblichen Ängsten. 


  • Zunehmende Ängste verstärken die ursprünglichen Symptome und lösen noch weitere zusätzlich aus. 

 
Dieser Prozess der sich aufschaukelnden körperlichen bzw. seelischen Symptome sowie deren Bewertung als Gefahr führen schließlich zu einer Panikattacke.

 

Der Teufelskreis der Angst – Verschärfung durch vier Faktoren 

 
Der geschilderte Prozess wird durch vier Faktoren verschärft:
 
1. Persönliche Befindlichkeit
Es besteht ein ganz bestimmter körperlicher und psychischer Zustand, wie etwa Ärger, Wut, Erschöpfung, Schlafdefizit, negative Auswirkungen von Alkohol, Koffein oder Medikamenten, Hyperventilation und deren Folgen.
 
2. Äußere Situation
Das momentane Umfeld kann durch völlig unterschiedliche Faktoren bestimmt sein, wie etwa Abwesenheit vertrauter Personen, Streit mit dem Partner, Ärger in der Firma, entspannte Fahrt auf der Autobahn oder gemütlicher Einkaufsbummel am Wochenende nach einer stressreichen Woche, Urlaub mit ungewohnter plötzlicher Ruhephase nach monatelanger Daueranspannung.
 
3. Belastungen im Vorfeld
Oft bestehen lang andauernde schwierige Lebenssituationen, wie etwa beruflicher Stress, partnerschaftliche oder familiäre Probleme, Krankheit oder Tod von Familienangehörigen, Langzeitarbeitslosigkeit, finanzielle Sorgen, körperliche oder sexuelle Traumatisierung.
 
4. Individuelle Neigungen und Veranlagungen
Begünstigend wirken eine plastisch bildhafte Vorstellungsfähigkeit von Katastrophen, eine rasche psychovegetative Erregbarkeit, die Tendenz zur Überfokussierung auf ein Restrisiko, lebensgeschichtlich erworbene Fixierung auf körperliche Vorgänge und deren Bewertung als gefährlich, körperliche Schonung aus Angst vor Überforderung. 
 
Der Teufelskreis der Angst schaukelt sich umso rascher auf, je höher die Grundanspannung bereits in Ruhesituationen ist, sodass bereits kleine Auslöser eine riesige Angstkaskade in Gang setzen können. 

Das Auftreten der ersten Panikattacke in einer Ruhephase lässt sich damit erklären, dass der Körper auch nach einer längeren Stresssituation noch einige Zeit auf hohen Touren läuft. Dies wird erst in der Ruhephase so richtig bemerkbar, allerdings dann als gefährlich bewertet. Man ist nun nicht mehr abgelenkt und beginnt die zurückliegenden Belastungen erst so richtig zu verarbeiten. 

Genau genommen, ist länger dauernder Stress an sich nicht die Ursache für die erste oder heftigste Panikattacke, viele Menschen sind oft ähnlichen Stresssituationen ausgesetzt. 

Entscheidend ist die subjektive Einschätzung, die jeweiligen familiären, beruflichen oder sonstigen Stressfaktoren nicht ausreichend unter Kontrolle zu haben. 

Die emotionale Befindlichkeit, wie etwa Wut und Ärger einerseits und Ohnmacht und Hilflosigkeit andererseits, verstärken das Gefühl des Kontrollverlusts. 

Was davon trifft auf Sie zu, was nicht? 

Das Stressmodell - Panikattacken als Nach-Stress-Phänomen 


Panikattacken lassen sich durch das Stressmodell erklären.

In Phasen eines allgemein hohen Anspannungsniveaus kann schon eine alltägliche Stresssituation (z.B. eine kleine Verletzung) zum Auslöser für eine Panikattacke werden.

Panikattacken sind zu verstehen als besonders dramatisch ablaufende Alarmreaktionen auf Stress oder eine Häufung von Stressoren

Im Laufe der Zeit verselbstständigt sich dieses Angsterleben aufgrund von kognitiven Prozessen als permanente Angst vor einer Panikattacke (Erwartungsangst), was die allgemeine Anspannung erhöht. 

Die Unfähigkeit, sich die subjektiv bedrohlichen Symptome erklären zu können (obwohl die psychosozialen Belastungen durchwegs als solche wahrgenommen werden), verstärkt die Ängste.

 

Das Wort Stress kommt aus dem Englischen und bedeutet Beanspruchung, Belastung, Druck. Stress ist die Reaktion des Körpers auf jede Anforderung, die an ihn gestellt wird. 

Stress im Sinne jeder körperlichen oder geistig-seelischen Beanspruchung ist eine normale und notwendige Reaktion („Eustress“). 

Unangenehm bzw. gesundheitsschädlich ist auf Dauer nur ein Übermaß an Stress im Sinne einer Überforderung oder eines ohnmächtigen Ausgeliefertseins an belastende Bedingungen („Disstress“). Umgangssprachlich wird Stress gewöhnlich in diesem negativen Sinn verstanden. 

Es gibt zahlreiche Definitionen von Stress, je nach Gesichtspunkt und wissenschaftlicher Untersuchungsmethode. In seiner allgemeinen und umfassenden, wenngleich vagen Definition stellt der Stressbegriff heutzutage ein Bindeglied zwischen verschiedenen Wissenschaften dar. 

Im Rahmen einer biologischen Sichtweise bedeutet Stress eine Störung des Gleichgewichts (Homöostase) zwischen den verschiedenen Körperfunktionen, namentlich zwischen den aktivierenden, Energie mobilisierenden Tätigkeiten des sympathischen Nervensystems und den entspannenden, auf Erholung ausgerichteten Tätigkeiten des parasympathischen Nervensystems. 

Ein Stressor ist das, was Stress auslöst.
Stressfaktoren können sehr vielfältig sein: 

  • körperlich: Krankheit, körperliche Anstrengungen, Leistungssport; 
  • seelisch: Ärger, Wut, Enttäuschung, chronische Unzufriedenheit, Sorgen, Ängste, Verlusterlebnisse, freudig-erregte Hochzeits- oder Urlaubsvorbereitungen (auch positive Emotionen sind Stressoren); 
  • geistig: hohe Konzentrationsleistung, große Verantwortung; 
  • soziale Umstände: Beziehungsprobleme, soziale Isolierung; 
  • sozioökonomische Bedingungen: enger Wohnraum, Berufssituation, Not, Flüchtlingssituation, Arbeitslosigkeit; 
  • ökologische Bedingungen: Lärm, Klima, Umweltschadstoffe. 

 

Stress mindernd wirkt das Gefühl der Kontrolle, Stress erhöhend das Gefühl der Nichtbeeinflussbarkeit und Machtlosigkeit angesichts der Lebensbedingungen.

Stress resultiert nicht einfach nur aus dem Auftreten eines Stressors, sondern hängt auch von dessen subjektiver Bewertung als viel oder wenig belastend ab.

Stress ist das Ergebnis der Wechselwirkungen zwischen Stressor und betroffener Person in einem bestimmten größeren Zusammenhang (situativer Kontext). 

Panikpatienten weisen keine größere Zahl an kritischen Lebensereignissen als Kontrollpersonen auf, sondern bewerten ihre Stressoren nur viel negativer. 

Ein und derselbe Stressor kann individuell sehr unterschiedliche Stressreaktionen auslösen, in Abhängigkeit von Erbanlagen (Konstitution), erworbenen körperlichen Beeinträchtigungen, Alter, Geschlecht, Persönlichkeitsstruktur, lebensgeschichtlich erworbener Ansprechbarkeit verschiedener Organe (z.B. Herz- oder Magenfixierung in der ganzen Familie), Erziehung (z.B. Angst förderndes Milieu oder Unterdrückung von Emotionen), Lernerfahrungen im Umgang mit bestimmten Stressoren, momentaner körperlicher und seelischer Belastbarkeit und momentanen kognitiven Bewertungen (z.B. gefährlich, nicht bewältigbar).

Panikattacken entstehen auf dem Hintergrund einer erhöhten, oftmals bereits chronischen Belastungssituation. Stress spielt eine zentrale Rolle bei der Auslösung des Teufelskreises der Angst.

Durch ein allgemein hohes Anspannungsniveau können bereits alltägliche Stresssituationen, die in anderen Zeiten und Situationen problemlos bewältigt wurden, zum Auslöser einer Panikattacke werden. 

Bei einem niedrigen allgemeinen Anspannungsniveau ist dagegen eine hohe Stressbelastung (z.B. Tod eines nahen Angehörigen) erforderlich, um entweder eine Panikattacke auslösen zu können oder eine Sichtweise, die ein bestimmtes Ereignis plötzlich höchst bedrohlich erscheinen lässt (z.B. Vermutung, dass der Partner fremdgeht, ohne konkrete Hinweise darauf). 

Die häufigsten und belastendsten Stressoren bei Panikpatienten hängen mit Krankheit, Sterben, Tod, Trennungen, Beziehungsproblemen, beruflichen Überforderungen und starken Emotionen zusammen. 

Am Beginn einer Panikstörung steht eine Panikattacke, die zumeist nicht durch bestimmte Ängste ausgelöst wird, sondern durch chronischen Stress, ständige unterdrückte Wut oder unverarbeitete Trauer. 

Verschiedenen Patienten hilft die zum Nachdenken anregende Frage: „Sind Sie sicher, dass Ihre erste Panikattacke wirklich ein Angstanfall und nicht eher ein Wutanfall war?“ 

Die permanente physiologische Anspannung wird oft durch ein als belanglos angesehenes Ereignis (z.B. heißes Wetter, verspätete Heimkehr des Partners oder eines Kindes) zum Höhepunkt, zur Auslösung der ersten Panikattacke, gebracht. 

Angst entwickelt sich gewöhnlich erst als Reaktion auf die unerwartet, unkontrollierbar und bedrohlich auftretenden Panikattacken. Die Betroffenen waren vorher oft keine ängstlichen oder hypochondrischen Menschen und fürchten sich plötzlich vor ihrem Körper. 

In Gesprächen berichten 80% der Panik- und Agoraphobie-Patienten von Stressoren oder kritischen Lebensereignissen vor Ausbruch der Angststörung, sehen anfangs jedoch oft keine Zusammenhänge zwischen diesen Umständen und ihrer Angststörung. 

Der erste Panikanfall stellt eine große Belastung, einen Stressor, dar und wirkt oft traumatisierend, ähnlich wie ein Trauma als Auslöser einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Nach dem Auftreten der ersten Panikattacke reicht oft bereits ein allgemein erhöhtes Anspannungsniveau als Folge der ständigen Erwartungsängste vor einem neuerlichen Angstanfall aus, dass ein bislang eher als belanglos oder ungefährlich eingeschätztes Ereignis die nächste Panikattacke auslösen kann (z.B. bevorstehender Auslandsaufenthalt aus beruflichen Gründen, Erkrankung eines Kindes). 

Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Stress und Immun- bzw. Hormonsystem. Übermäßiger Stress hat negative Auswirkungen auf das Immunsystem. 

Bereits akute Belastungen, wie z.B. Schlaflosigkeit, führen innerhalb von 48 Stunden zur Schwächung der Immunabwehr, wie sich anhand entsprechender Messgrößen nachweisen lässt. 

Chronischer Stress bewirkt eine Erschöpfung des Organismus und macht den Körper anfälliger für Kreislaufschwäche und vegetative Übererregbarkeit, womit der Boden für Panikattacken bereitet ist. 

Der neue Forschungszweig der „Psychoneuroimmunologie“ (eigentlich Psychoneuroendokrinoimmunologie) beschäftigt sich mit der Einheit des Menschen in Form der Wechselwirkungen von Zentralnervensystem, Hormonsystem und Immunsystem. Gesundheit und Krankheit des Menschen hängen vom Zusammenspiel dieser drei Systeme ab, die über biochemische Botenstoffe miteinander kommunizieren. 

Angststörungen stellen gleichzeitig psychische, hormonelle und immunologische Vorgänge dar. Eine erhöhte, vegetativ gesteuerte Herztätigkeit durch Dauerstress kann zu längerfristigen immunologischen Veränderungen führen. 

Menschen, die zu starken sympathikusgesteuerten Herz-Kreislauf-Reaktionen neigen, weisen laut Studien auch eine Steigerung der Stresshormone (CRH, ACTH, Kortisol) und entsprechende immunologische Veränderungen auf. 



Auslöser für die erste Panikattacke 


Als Auslöser für Panikattacken gelten zahlreiche körperliche, ernährungsbedingte, sozioökonomische, ökologische, soziale, familiäre und psychische Stressoren:

  • Tod eines Angehörigen oder Bekannten.
  • Andere Verlustereignisse: Trennung vom Partner, Auszug der Kinder, Umzug.
  • Krankheitsängste: Krankheiten in der Familie, Verwandtschaft oder Bekanntschaft (Herzinfarkt, Asthma, Krebs), eigene Erkrankung, bevorstehende Operation. 
  • Massive familiäre Belastungen (durch Eltern, Partner, Kinder), Trennungsängste.
  • Unverarbeitete Lebensereignisse: Gewalt, Missbrauch, Unfall, Scheidung der Eltern, Verkehrsunfall, schwere Erkrankung eines Kindes. 
  • Heftige Emotionen: Erregtheit, Ärger, Streit, Unterdrückung von Aggressionen.
  • Umstellung von Anspannung auf Entspannung: entspanntes Liegen im Bett, Sitzen vor dem Fernsehapparat, Bummeln in einem Einkaufszentrum oder im Urlaub.
  • Massive Zukunftsängste oder berufliche/wirtschaftliche Sorgen: finanzielle Sorgen, Unsicherheit des Arbeitsplatzes, Arbeitsplatzverlust oder Arbeitsplatzwechsel.
  • Stellvertretende Erfahrungen: Lesen von Medizin-Artikeln, Miterleben von schweren Schicksalsschlägen oder Symptomen bei anderen. 
  • Ungesunde, stressreiche Lebensführung ganz allgemein (übermäßiger Zeitdruck, berufliche Überlastung usw.), die zu Erschöpfung führen kann. 
  • Allergien: Die gesteigerte Abwehr von verschiedenen auf den Körper einwirkenden Substanzen führt zu Entzündungen und Gefäßerweiterungen (bis zum Kollaps).
  • Hormonelle Störungen: Schilddrüsenüberfunktion, Hormonstörungen bei Frauen.
  • Bestimmte Krankheiten: Lebererkrankung, Virusinfektion, Mangel an Vitamin B1, Störungen im Kalziumhaushalt. 
  • Nebenwirkungen von Medikamenten: Blutdrucksenkung, allergische Reaktion u.a.
  • Alkohol, Drogen, Koffein und Nikotin: übermäßiger Konsum oder plötzlicher Entzug von Genussmitteln. 
  • Unterzuckerung (Hypoglykämie): Zuckerabfall mit panikartigem Zustand, z.B. bei Abmagerungskuren, zu viel Alkoholkonsum, schwerer körperlicher Arbeit, bei Zuckerkranken wegen eines falsch eingestellten insulinpflichtigen Diabetes. 
  • Kreislaufschwankungen bzw. Kreislaufstörungen durch zu viel Koffein oder Nikotin, Kater, Alkohol- oder Medikamentenentzug, Zuckerabfall, Sportübungen, Müdigkeit oder Erschöpfung, Hitze bzw. schwüles Wetter, Krankheit, allergische Reaktionen, prämenstruelle Angespanntheit, Schwangerschaft. 
  • Generell niedriger Blutdruck (z.B. 95/65), der in Schrecksituationen noch weiter abfällt (Kollapsneigung), sodass Herzrasen Blutdruck erhöhend wirkt, um eine weitere Sauerstoffunterversorgung und daraus folgende Ohnmacht zu verhindern. 
  • Langes Stehen ohne Bewegung (orthostatische Hypotonie): das Blut geht in die Beine, sodass im Kopf zu wenig Blut und Sauerstoff vorhanden sind. 
  • Hemmung der Fluchtreaktion in einer bestimmten Situation (Bus, Geschäft usw.) mit der Folge einer vagovasalen Ohnmachtsneigung. Man kann bzw. will eine belastende Situation nicht verlassen, obwohl der Körper für eine Fluchtreaktion aktiviert ist. Es kommt dabei zu einer vermehrten Durchblutung der Muskulatur, vor allem in den Beinen (spürbar als Muskelverspannung) und mangels Bewegung (oft Erstarrung im Schreck) zu einem verminderten Blutrückfluss zum Herzen, sodass weniger Blut in den Kreislauf gepumpt wird, was sich bereits nach Sekunden als Schwindel und später als Ohnmachtsneigung bemerkbar macht. 
  • Hyperventilation: in Stresssituationen erfolgt oft ein zu rasches und zu flaches Atmen mit Angst machenden körperlichen Folgezuständen, die nur im Ruhezustand auftreten und bei Bewegung sofort weg wären. Zwischen den Diagnosen Agoraphobie/Panikstörung und Hyperventilationssyndrom besteht eine Überlappung von 60%. 

Vielfältige Ursachen von Panikattacken


Panikattacken können aus völlig unterschiedlichen Gründen entstehen: 


  • in der Ruhephase nach länger dauerndem Stress (zu Hause oder auswärts beim Essen, abends beim Fernsehen, am Wochenende, beim Spazierengehen, bei angenehmen Veranstaltungen, im Urlaub, als gute Fahrer auch beim Fahren auf der Autobahn oder im Tunnel),
  • auf der Basis einer erhöhten körperlichen und/oder psychischen Daueranspannung, 
  • in akuten Stressphasen als Ausdruck der Überbelastung oder im Rahmen eines Burnouts, 
  • durch die Fehlinterpretation an sich harmloser körperlicher Symptome als bedrohlich (aus Angst vor Herzinfarkt, Schlaganfall, Ersticken u.a.), 
  • durch starke Emotionen wie Verlustängste oder bei Krankheitsängsten als Folge von schweren Erkrankungen im sozialen Umfeld, 
  • bei emotionalen Zwiespältigkeiten, die einen hohen inneren Anspannungszustand bewirken (Wut und Ärger bei gleichzeitiger Ohnmacht und Hilflosigkeit, Liebe bei gleichzeitigem Hass), 
  • bei partnerschaftlichen, familiären oder beruflichen Konflikten bzw. ökonomischer Notlage, 
  • nach Schlafentzug bei beginnender Entspannung beim oder nach dem Einschlafen, 
  • nach übermäßigem Konsum von Alkohol oder illegalen Drogen, 
  • bei Einnahme oder Absetzen bestimmter Medikamente (z.B. verschiedener Antidepressiva),
  • nach körperlichen Erkrankungen (z.B. Herzinfarkt, Lungenembolie), als Ausdruck körperlicher Erkrankungen (z.B. hormonelle oder Stoffwechselstörungen, allergische Erkrankungen) – dann handelt es jedoch um eine körperliche Erkrankung und keine Angststörung!

PANIKATTACKEN ALS KONTROLLVERLUST

Kontrollverlust über die eigene Person


Panikattacken stellen einen subjektiv sehr bedrohlichen Kontrollverlust dar: 


Über die eigene Person auf vier Ebenen: 

  • Körper: die körperlichen Symptome bewirken eine Todesangst
  • Verstand: die kognitiven Symptome führen zur Angst vor dem Verrückt-Werden
  • Gefühle: die Gefühle von Angst und Panik erscheinen unkontrollierbar und werden sehr gefürchtet
  • Verhalten: die innere Anspannung führt zur Angst, vor anderen peinlich aufzufallen


Über die soziale Umwelt: 

  • Partnerschaft und Familie: schwere, scheinbar unlösbare Konflikte 
  • Ausbildung und Beruf: Ausgeliefertsein in der Schule oder auf dem Arbeitsplatz
  • Sonstige Lebensfelder: Probleme in der Nachbarschaft oder im Freundeskreis


Über die sozioökonomische Situation: 

  • soziale/gesellschaftliche Einschränkungen: z.B. Einschränkungen während der Covid-19-Pandemie
  • ökonomisches Ausgeliefertsein: materielle Not, fehlende finanzielle Unterstützung/Absicherung


Aus der Beziehungsstörung und Kontrollverlusterfahrung hinsichtlich der sozialen Umwelt wird häutig eine Beziehungsstörung zur eigenen Person, zum eigenen Körper, Denken, Fühlen und Verhalten.

Beziehungsstörung gegenüber der eigenen Person


Panikattacken als Kontrollverlust über der eigenen Person spiegeln oft den Kontrollverlust über eine ganz bestimmte Lebenssituation wider.

Anders ausgedrückt: Aus einer speziellen Beziehungsstörung zur sozialen Umwelt wird eine Beziehungsstörung gegenüber der eigenen Person.   

Panikattacken gelten als Ausdruck einer massiven Angstüberflutung. Man kann es aber auch umgekehrt sehen: Panikattacken, die oft auf der Basis von großem Stress oder massivem Ärger bei gleichzeitiger Ohnmacht („ohnmächtige Wut im Bauch“) entstehen, führen erst zu massiver Angst und Furcht.

Die Beziehungsstörung gegenüber der eigenen Person zeigt sich bei einer Panikstörung somit auch in dem Umstand, dass die Betroffenen nicht klar differenzieren können, von welchen Gefühlen sie bestimmt sind, was die primären und was die sekundären Gefühle sind.

Die Gefühlsbezeichnungen „Angst“ und „Panik“ überlagern oft zahlreiche andere „darunterliegende“ Gefühle wie Ärger, Wut, Traurigkeit, Enttäuschung oder Hilflosigkeit. 

Eine derartige Sichtweise passt sowohl in verhaltenstherapeutische als auch tiefenpsychologische, systemische und humanistische Behandlungskonzepte bei Menschen mit einer Panikstörung. 


Was war früher bei Panikattacken: die Beziehungsstörung gegenüber dem eigenen Körper oder gegenüber der sozialen Umwelt? 

 

Panikattacken sind oft Ausdruck negativer Gefühle oder Gefühlskonflikte in der Partnerschaft oder Familie, also Ausdruck von Ambivalenzen, wie etwa: „Ich liebe meinen Partner, aber manchmal bin ich total wütend auf ihn.“ Diese bewirken oft eine massive körperliche Anspannung und gelangen irgendwann einmal in Form einer Panikattacke zur Entladung. 

Das ist ein fataler Teufelskreis

  • Beziehungsprobleme in Partnerschaft und Familie in Verbindung mit Wut, Ohnmacht, Enttäuschung und Verlassenwerden sind häufig die Ursache für die erste Panikattacke. 


  • Als Folge der bedrohlich erlebten Panikattacke entwickelt sich dann eine Beziehungsstörung zum eigenen Körper, also zur eigenen Person, mit dem Verlust des körperlichen Selbstvertrauens, und zwar oft auch bei Menschen, die früher sehr selbstbewusst und erfolgreich waren. 


Wenn Ärger oder Unzufriedenheit in der Partnerschaft oder in der Familie die Ursache für die erste Panikattacke waren, wird durch die Angst vor dem eigenen Körper plötzlich genau der Partner oder ein bestimmtes Familienmitglied wie die Mutter, mit dem man ein problematisches Verhältnis hatte, zur unentbehrlichen Stütze, obwohl man vorher schon die Trennung oder den Beziehungsabbruch überlegt hatte. 

Das verschärft wiederum den Beziehungskonflikt mit dem Partner aufgrund der Abhängigkeit und der Angst vor sich selbst, das heißt aus Furcht vor der nächsten Panikattacke, die man nicht allein bewältigen könnte. Panikattacken können so eine Partnerschaft mehr zusammenschweißen als alle anderen Gefühle vorher. 

Dasselbe kann auch auf Ablösungsprobleme junger Menschen zutreffen, die wegen der Panikattacken nicht den Auszug aus dem Elternhaus schaffen und aus der Studentenwohnung wieder nach Hause zurückkehren. Die Autonomie-Entwicklung ist dann zumindest vorläufig gescheitert. 

Im Beruf treten Panikattacken oft bei Menschen auf, die trotz ungünstiger Arbeitsbedingungen alles bestmöglich, oft sogar besser als möglich, bewältigen möchten. 

Die Überforderung wird spätestens dann offensichtlich, wenn die Betroffenen mehr Verantwortung für die Gesamtabläufe von Arbeitsprozessen übernehmen, als sie tatsächlich haben. 

Als Folge der Panikattacken haben die Betroffenen dann oft Angst, als psychisch krank abgestempelt zu werden. Sie überspielen ihre Symptomatik und arbeiten – vor allem nach einem längeren Krankenstand – noch mehr als vor der Erkrankung. 

Durch verstärkten Leistungseinsatz versuchen sie ihre vermeintlichen Schwächen überkompensieren, um nicht gekündigt zu werden. Sie beuten sich selbst noch mehr aus als zuvor und lassen sich vor allem auch von den Vorgesetzten in einer Weise ausnutzen, wie dies andere Arbeitskollegen nie zulassen würden. 

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, ob Zusammenhänge zwischen Ihrer partnerschaftlichen, familiären oder beruflichen Situation einerseits und Ihren Panikattacken andererseits bestehen könnten? Wie gut können Sie mit Gefühlen und emotionalen Zwiespältigkeiten in Beziehungen umgehen? 

Mit einer wichtigen Frage sollten Sie sich auch noch auseinandersetzen: 
Fürchten Sie als Folge einer Panikattacke, sozial aufzufallen, oder schränken Sie in Reaktion darauf Ihren Bewegungsradius ein? Im ersteren Fall sollten Sie an die Möglichkeit einer zusätzlichen sozialen Phobie denken, im zweiten Fall an die Wahrscheinlichkeit einer zusätzlichen Agoraphobie.