Grundstrategien der Panikbewältigung

Vier Grundstrategien ermöglichen die rasche Bewältigung von Panikattacken:

  1. Gesundes Verhalten ausbauen: Nutzen Sie wirksame Strategien zur Bewältigung Ihrer Panikattacken, um zukünftig mehr vom Leben zu haben als bisher.
  2. Gesundes Vermeidungsverhalten beachten: Vermindern Sie reale Gesundheitsrisiken, die langfristig Ihre Gesundheit gefährden könnten.
  3. Krank machendes Kontrollverhalten unterlassen: Verzichten Sie auf unnötige Kontrollen Ihres Körpers und Ihrer Gesundheit, die langfristig das Vertrauen in Ihre eigene Handlungsfähigkeit untergraben.
  4. Krank machendes Vermeidungsverhalten überwinden: Gehen Sie raus aus jeder ungesunden Schonhaltung, die mangels Kondition zu körperlicher Schwäche und mangels positiver Erfahrungen zu Depressionen führen kann.

 

Gesundes Verhalten ausbauen: Nutzen Sie wirksame Strategien zur Bewältigung Ihrer Panikattacken

 
Panikattacken sind heftige körperliche und psychische Reaktionen, die die Betroffenen anfangs oft irrtümlich als Bedrohung von Leib, Leben oder Verstand interpretieren und später nicht minder belastend als Verlust der Selbstkontrolle in Situationen erleben, in denen sie funktionieren und nach außen hin unauffällig wirken möchten.

Sie treten entweder unerwartet, d.h. spontan, auf, oft nach Phasen von großem realen oder mentalen Stress, oder bereits erwartet angesichts bestimmter gefürchteter Situationen.
Eine einzelne Panikattacke macht noch keine psychische Störung aus. 

Krankheitswertig werden Panikattacken erst dann, wenn die Betroffenen damit nicht erfolgreich umgehen können, sehr darunter leiden und sich im Leben in schulischer, beruflicher, familiärer, sozialer und privater Hinsicht erheblich beeinträchtigt fühlen.
 
Im Folgenden werden die wichtigsten Strategien zur raschen und effektiven Bewältigung von Panikattacken in Form von zehn Schritten dargestellt.
 

1. Ängste verstehen: Erkennen Sie in Ihren Ängsten die Bedrohung Ihrer Grundbedürfnisse.

 
Eine Panikattacke ist ein falscher Alarm, ein Fehlalarm des Mandelkerns im limbischen System, dem Zentrum der Gefühle im Zwischenhirn.

Gehen Sie angesichts einer derartigen vorschnellen Alarmierung von Körper und Psyche auch nach medizinischer Abklärung ohne krankheitswertigen Befund nicht einfach zur Tagesordnung über, sondern machen Sie sich bewusst, welche Bedrohungen Ihrer Grundbedürfnisse Sie dabei am meisten gefürchtet haben, nach dem Motto: „Was wäre, wenn …?“, und was Sie im Falle neuerlicher Panikattacken am meisten fürchten.
 
Geben Sie im Falle einer Panikstörung durch Ankreuzen der zutreffenden Zahl an, in welchem Ausmaß die folgenden fünf Bedrohungsszenarien als Ursache, Auslöser oder Verstärker Ihrer Panikattacken infrage kommen (0 = gar nicht, 1 = ein wenig, 2 = mäßig, 3 = stark, 4 = sehr stark).
 
Bedrohungsszenario | Ausmaß
Bedrohung des Körpers/des körperlichen Wohlbefindens | 0  1  2  3  4
Bedrohung der sozialen/wirtschaftlichen Sicherheit | 0  1  2  3  4
Bedrohung der Bindungen/Geborgenheit | 0  1  2  3  4
Bedrohung des Selbstwerts/Sozialprestiges | 0  1  2  3  4
Bedrohung der Kontrolle/Autonomie | 0  1  2  3  4

Reihen Sie diese Bedrohungsszenarien anschließend mithilfe der Zahlen 1–5 und geben Sie dadurch an, in welcher Gewichtung diese bei Ihnen im Falle einer Panikstörung eine Rolle spielen.

Welches war bzw. ist nach wie vor das größte Bedrohungsszenario für Sie (Zahl 1), welches war bzw. ist kaum oder gar nicht vorhanden (Zahl 5)?

Spontane Panikattacken gehen zumindest beim ersten und/oder zweiten Auftreten mit Todesängsten einher; sie bleiben in dieser Form gespeichert, ähnlich wie andere traumatisierende Ereignisse, auch wenn man schon längst weiß, dass man daran nicht sterben kann.

Wenn nicht akute Ängste um Leib und Leben im Mittelpunkt standen bzw. stehen, dreht sich bei Panikattacken oft alles um die Bedrohung der Sicherheit und der Geborgenheit als Basis für das weitere Leben, um die Bedrohung des Selbstwerts durch Blamage oder der mentalen Kontrolle. Panikattacken sind der Inbegriff von Kontrollverlust.

Halten Sie in Ihrem Angsttagebuch alle Gedanken, Gefühle und Erfahrungen in Bezug auf Panikattacken fest. Analysieren Sie alle möglichen Zusammenhänge zwischen Ihren Panikattacken und Ihrer inneren Befindlichkeit bzw. den äußeren Lebensumständen. 
 
Folgende Fragen können hilfreich sein:

  • Zu welchen Zeitpunkten und in welchen Situationen treten Ihre Panikattacken bevorzugt auf? Wann sind eher keine zu erwarten?
  • Befinden Sie sich vor einer Panikattacke in Ruhe und Entspannung oder in einer akuten Stresssituation?
  • Können Sie Ihre scheinbar unerwarteten Panikattacken vorhersagen? Wenn ja, wodurch ist Ihnen dies möglich?
  • Welchen länger dauernden familiären, beruflichen oder privaten Stress hatten Sie in den letzten Monaten vor einer Panikattacke?
  • Welche emotionale und körperliche Befindlichkeit hatten Sie in den letzten Stunden vor einer Panikattacke?
  • Welche konkreten Symptome, Gedanken und Gefühle hatten Sie während einer Panikattacke?
  • Welche Ursachen in Kindheit, Jugendzeit und Erwachsenenalter machen Sie für Ihre Panikstörung verantwortlich?
  • Welchen Einfluss haben Ihre wichtigsten Einstellungen, Lebensregeln und Wertvorstellungen?
  • Welche Merkmale Ihrer Persönlichkeit sind von Bedeutung?

 

2. Denkmuster ändern: Entwickeln Sie hilfreichere Sichtweisen.

 
Panikattacken wirken bedrohlich, sie sind aber nicht gefährlich.

Die körperlichen und psychischen Symptome von Panikattacken werden erst durch die angstmachenden negativen Bewertungen zu einem erheblichen Problem, wie etwa: „Herzrasen, Herzstolpern und Druckgefühle im Brustkorb kündigen einen Herzinfarkt an“, „Atemnot und Beklemmungsgefühle führen zum Ersticken“, „Linksseitige Kribbelgefühle sind Schlaganfallsymptome“, „Schwindelgefühle sind die Vorstufe zum Kollaps“, „Ich bin verwirrt, gleich drehe ich durch.“ Die angstbedingte Verstärkung der wahrgenommenen Symptome führt schließlich zur Panikattacke, bekannt als Teufelskreis der Angst.

Panikattacken treten oft als Folge eines erhöhten Anspannungsniveaus bereits beim kleinsten zusätzlichen Stress auf, viel häufiger noch in der entspannenden Nach-Stress-Situation, ähnlich wie eine Wochenendmigräne oder wie eine körperliche Erkrankung zu Urlaubsbeginn.

Viele Panikattacken entstehen aus starken emotionalen Zwiespältigkeiten, die einen anhaltenden körperlichen und psychischen Anspannungszustand bewirken (z.B. Ärger bei gleichzeitigem Mitleid, Liebe bei gleichzeitigem Hass).

Sie entstehen oft auf dem Hintergrund von „ohnmächtiger Wut“, charakterisiert durch Wut und Ärger einerseits und Ohnmacht und Hilflosigkeit andererseits in Partnerschaft, Familie oder Beruf.

Nutzen Sie medizinische Grundinformationen, um Ihre falschen Bedrohungseinschätzungen in Bezug auf bestimmte Paniksymptome zu korrigieren.

Man nennt die Entwicklung neuer Sichtweisen kognitive Umstrukturierung oder positives Reframing.

Folgende hilfreiche Sichtweisen können Ihre Angst und Furcht vor einer Panikattacke vermindern:

  • Eine Panikattacke ist ein Fehlalarm aus den tieferen Schichten des Gehirns. Der Mandelkern (Fachausdruck: Amygdala) im limbischen System hat zur Sicherung des Überlebens schneller reagiert als Ihr präfrontaler Kortex, der erst kurz darauf erkennt, dass gar keine reale Gefahr besteht, und die Beruhigung einleitet.


  • Man kann allein durch eine Panikattacke keinen Herzinfarkt und auch keinen Schlaganfall bekommen. Ein beschleunigter Herzschlag und ein plötzlicher Blutdruckanstieg sind ohne arteriosklerotische Verengungen der Herzkranzgefäße und ohne Blutverklumpungen bei dauerhaftem Vorhofflimmern völlig ungefährlich, ähnlich wie beim Sport oder Sex. Eine erhöhte Herz-Kreislauf-Aktivität wird oft durch emotionale Erregung wie Wut und Ärger ausgelöst, Angst ist dann erst die Reaktion auf die subjektiv bedrohlichen körperlichen Veränderungen bei einer Panikattacke und nicht deren Ursache. Auch Herzstolpern ist völlig normal.


  • Man kann bei einer Panikattacke nicht ersticken. Atemnot und Beklemmungsgefühle sind bei gesunder Lungenfunktion Ausdruck von starker körperlicher Anspannung, wie auch bekannte Redewendungen zum Ausdruck bringen: „vor Schreck die Luft anhalten“, „vor Wut schnauben“. Im Zuge der Kampf-Flucht-Reaktion erfolgt bei Angst und Panik eine rasche und flache Atmung. Eine massive Überatmung im Sinne einer Hyperventilation führt ohne gleichzeitige Bewegung zu zahlreichen, aus medizinischer Sicht völlig harmlosen körperlichen Missempfindungen. Oft werden anhaltende Verspannungen, Druckgefühle und Schmerzen im Brustkorb irrtümlich als Anzeichen von Herzinfarkt oder Ersticken interpretiert.


  • Man kann durch eine Panikattacke nicht ohnmächtig werden. Angstbedingte Schwindel- und Ohnmachtsgefühle haben nichts mit dem Blutdruck zu tun, da bei starker Angst, Furcht und Panik der Blutdruck steigt und nicht fällt; sie hängen auch nicht mit dem Gleichgewichtsorgan im Ohr zusammen, das einen Drehschwindel auslösen würde. Der typische Schwankschwindel bei Panikattacken ist oft bedingt durch eine starke körperliche Anspannung, die zu einer Stand- und Gangunsicherheit führt.


  • Man kann durch eine Panikattacke nicht geisteskrank werden. Das Gefühl einer plötzlichen Verwirrtheit ist kein Anzeichen von Verrückt-Werden, sondern von einer vorübergehenden Denkblockade aufgrund der Überflutung durch die Stresshormone oder von einem lebensgeschichtlich bedingten emotionalen und nicht geistigen „Durcheinander“ im Kopf.


Der Boden für Panikattacken wird oft vorbereitet durch bestimmte grundlegende Überzeugungen, die ein allgemein erhöhtes körperliches Anspannungsniveau bewirken.

Folgende Ratschläge können hilfreich sein:

  • Identifizieren Sie alle überfordernden Denkmuster, wie etwa überhöhte Leistungsansprüche, bis hin zum Perfektionismus, übertriebenes Kontrollbedürfnis, starke Bestrebungen, es allen recht machen zu wollen, oder ständiges Verlangen nach Harmonie ohne Klärung vorhandener zwischenmenschlicher Konflikte.


  • Ändern bzw. relativieren Sie alle Glaubenssätze, die unnötigen Stress erzeugen, z.B.: „Ich bin für alles verantwortlich“, „Ich muss immer die Beste sein“, „Ich darf keinen Fehler machen, sonst bin ich ein Versager“, „Ich muss immer alles im Griff haben“, „Ohne mich bricht alles zusammen“, „Ich muss es allen recht machen, damit sie mich lieben“, „Ich darf niemanden enttäuschen“, „Die anderen sind besser als ich“, „Ich bin nicht so gesund wie andere“, „Mein Vater ist zu früh gestorben, das kann auch mir passieren.“


  • Verbessern Sie Ihren geringen Selbstwirksamkeitsglauben. Krank machender Stress entsteht oft nicht allein durch große äußere Belastungen und hohe innere Ansprüche an sich selbst, sondern vor allem auch durch die Einschätzung, damit aufgrund von Schwächen nicht zurechtzukommen. Vergegenwärtigen Sie sich Ihre Stärken, Fähigkeiten und Erfolgserlebnisse. Machen Sie sich bewusst, was Sie in der Vergangenheit erreicht haben, obwohl Sie vorher daran gezweifelt haben.

 

3. Körperliche Befindlichkeit verbessern: Nutzen Sie körperliche Aktivität und Entspannung zum Stressabbau.

 
Eine Panikattacke beruht auf einem heftigen Adrenalinstoß, meist in einer völlig ungefährlichen Situation oder sogar in einem Zustand von Ruhe und Entspannung.
Man ist gleichzeitig hochgradig aktiviert und blockiert, man fühlt sich wie erstarrt und eingefroren in seiner ganzen Bewegungsfähigkeit.

Das aktivierend-anregende sympathische Nervensystem und das blockierend-dämpfende parasympathische Nervensystem sind gleichzeitig aktiv, wie wenn man beim Auto das Gaspedal und das Bremspedal gleichzeitig drücken würde.
 
Machen Sie sich bewusst: Wir haben bei realer oder vermeintlicher Bedrohung drei Reaktionsmöglichkeiten: Kampf, Flucht oder Erstarren (Fachausdruck: Freeze-Effekt, von engl. to freeze = eingefroren sein).

Das erste Ziel bei Panikattacken ist: Raus aus der Erstarrung, die in der jeweiligen Situation – anders als bei realer Bedrohung ohne Fluchtmöglichkeit – keine sinnvolle Schutzreaktion darstellt.
 
Die drei hilfreichsten Sofortmaßnahmen bei Panikattacken sind daher: kräftige Bewegung, Sport oder Tanzen, lautes Reden, Telefonieren oder Singen sowie bestimmte Atemtechniken mit oder ohne Bewegung.
 
Folgende Ratschläge können hilfreich sein:

  • Schalten Sie möglichst schnell auf körperliche Aktivität um und atmen Sie im Moment der stärksten Kraftausübung aus. Auf diese Weise senken Sie mit einfachen Mitteln die innere Anspannung. Mithilfe von Bewegung, Kraft- und Ausdauersport bauen Sie die Stresshormone in Ihrem Körper rasch ab. Bewegen Sie sich entweder kräftig mit Ihrem ganzen Körper oder schütteln Sie im Stehen Ihre Arme und Beine aus. Machen Sie verschiedene Dehnungsübungen oder gymnastische Übungen. Nutzen Sie ein vorhandenes Sportgerät (z.B. zu Hause einen Hometrainer oder auswärts das Fahrrad). Gehen Sie eine Zeitlang Treppen auf und ab. Gehen oder laufen Sie zu Hause oder auswärts eine Runde. Erledigen Sie in der Wohnung oder im Garten verschiedene Arbeiten. Gehen Sie in einem öffentlichen Verkehrsmittel einige Meter weiter nach vor oder zurück oder in einem Supermarkt neuerlich durch die Regale, statt im Stehen zu erstarren. Bewegen Sie sich auf dem Sitz im Kino oder Flugzeug eine Zeitlang hin und her, räkeln und strecken Sie sich im Sitzen, wie verspannte Menschen dies ganz bewusst oder völlig unbewusst tun. Treten Sie in Aufzügen, engen oder überfüllten Räumen ohne Fluchtmöglichkeit sanft auf dem Stand oder kräftig auf den Boden wie auf einem Laufband im Fitnessstudio. Tanzen Sie zu Hause zu Ihrer Lieblingsmusik oder bewegen Sie sich auswärts zu jener Musik, die Sie gerade auf Ihrem Smartphone mithilfe Ihrer Kopfhörer hören. Machen Sie rhythmische Bewegungen, während Sie dabei ausatmen, ähnlich wie bei Qigong oder bestimmten Kampfsportarten. Machen Sie ein körperliches Fitness-Training mithilfe von kostenlosen Videos auf YouTube.


  • Nutzen Sie bestimmte Atemtechniken zur Verminderung Ihres Anspannungsniveaus. Im Hirnstamm befindet sich die oberste Steuerungszentrale der Atmung, die über Nervenbahnen mit den Atemmuskeln in Verbindung seht, aber auch mit einem anderen Hirnareal, dem Locus coeruleus, der die Aufmerksamkeit steuert. Eine langsamere Atmung schaltet Körper und Geist in den Ruhemodus um, was einen Abfall von Angst und Stress bewirkt. Eine schnellere Atmung führt dagegen zu einem Anstieg von Angst und Stressgefühlen. Atemtechniken sind rasch erlernbare Entspannungstechniken. Setzen Sie die sogenannte Lippenbremse ein: Atmen Sie langsam durch die Nase ein und mindestens ebenso langsam, besser sogar doppelt so lange durch leicht geschlossene Lippen aus. Atmen Sie kräftig durch den Mund aus, während Sie mit den Händen gegen ein Möbelstück oder gegen die Wand drücken, wie beim Training in einem Fitnessstudio. Atmen Sie langgezogen auf einem bestimmten Ton wie „aaa“, „ooo“ oder „uuu“ aus. Üben Sie ein Mantra von buddhistischen Mönchen: „ooouuummmooouuummm“. Stellen Sie sich vor, wie Sie beim Einatmen sauerstoffreiche Luft oder Ihren Lieblingsduft in der Nase hochziehen und beim Ausatmen durch leicht geschlossene Lippen alle verbrauchte Luft, alle Anspannung und allen Stress abgeben. Zählen Sie innerlich bei jeder Einatmung „1–2“ und bei jeder Ausatmung „1–2–3–4“. Atmen Sie innerlich auf eine Zahl so langgezogen aus, als würden Sie sich dabei hören: „eeeeiiinns“, „zweeeeiiii“, „dreeeeiiii“ usw. Sie kommen dabei leicht mit sechs Atemzügen pro Minute aus, was im Laufe der Zeit sehr entspannend wirkt. Verwenden Sie anstelle der flachen Brustatmung ganz bewusst die Zwerchfellatmung, die auch „Bauchatmung“ genannt wird, weil sich dabei beim Ein- und Ausatmen die Bauchdecke hebt und senkt, und zwar stärker als der Brustkorb. Legen Sie dabei Ihre Hände auf die Bauchdecke.


  • Erlernen Sie bestimmte Entspannungstechniken wie die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson oder das Autogene Training, nach Möglichkeit auch andere Methoden, die umfassendere Ziele anstreben, wie etwa Qigong, Tai-Chi, Yoga oder Achtsamkeitsmeditation nach Jon Kabat-Zinn.


  • Reden Sie angesichts einer Panikattacke mit allen möglichen Menschen oder telefonieren Sie mit nahestehenden Personen. Reden bewirkt nicht nur einen Abbau der inneren Anspannung und einen ganz normalen Fluss der Atmung, sondern auch eine raschere Kontrolle über Ihren erstarrten Körper, vor allem auch ein Gefühl von Vertrauen und Geborgenheit durch den Kontakt mit anderen Menschen. Wenn niemand anwesend ist, reden Sie am besten laut mit sich selbst als Ihr eigener Coach.


Seit über hundert Jahren wird die Frage diskutiert: Haben wir zuerst Angst, die dann bestimmte Symptome bewirkt, oder haben wir zuerst bestimmte Symptome, die uns dann Angst machen?
 
Neurobiologische Erkenntnisse rechtfertigen durchaus auch die zweite Sichtweise, die in der Fachwelt als James-Lange-Theorie bekannt ist.

Es gibt in unserem Gehirn ein bestimmtes Areal, die sogenannte Insula (deutsch: Insel), die von allen Körperregionen Rückmeldungen über die jeweilige Befindlichkeit erhält, diese mithilfe aller Sinneskanäle verarbeitet, interpretiert, unserer bewussten Wahrnehmung zugänglich macht und in bestimmte Gefühle übersetzt.
 
Botschaften auf dem Weg über den insulären Kortex zu unserem Bewusstsein laufen so ab: „Achtung, du hast jetzt starke körperliche Symptome wie heftiges Zittern, beschleunigten Herzschlag und verstärkte Atmung, also hast du vor irgendetwas Angst. Unternimm schnell etwas dagegen!“

Man schließt also, wie dies auch bei vielen Phobien der Fall ist, von der momentanen inneren Befindlichkeit auf eine akute äußere Bedrohung, was in der Psychologie emotionale Beweisführung genannt wird.
 
Entspannungsmethoden vermindern die Aktivität der vorderen Insula, sodass Sie weniger körperliche Symptome und damit auch weniger Angst, Furcht, Ärger oder Ekel empfinden.
Daraus folgt: Wenn Sie nicht immer so angespannt wären, egal aus welchem Grund, würden Sie sich körperlich nicht so schnell bedroht fühlen.
 
Antidepressiva, Tranquilizer und Alkohol wirken beruhigend auf die Gefühlszentren im limbischen System.

Sie können sich aber auch aus eigener Kraft helfen, nicht gleich so ängstlich zu reagieren.
Entspannungsmethoden, Sport, Musikhören, bestimmte Hobbys und jedes Flow-Erlebnis mit völligem Aufgehen in der jeweiligen Tätigkeit können einen ähnlich wohltuenden Effekt haben.
 

4. Aufmerksamkeit lenken: Konzentrieren Sie sich auf das, was im Moment hilfreich und wichtig ist.

 
Lenken Sie bei einer Panikattacke Ihre Aufmerksamkeit nicht auf Ihren Körper, sondern auf die Umwelt oder auf Tätigkeiten, die Sie gerade ausführen.

Die Fähigkeit, eine Panikattacke ohne Bewertung zu beobachten, also buchstäblich in sich hineinzuhorchen, ohne gegen alle möglichen Missempfindungen anzukämpfen, ist eine hohe Kunst, die Sie später in Form der Achtsamkeitstherapie erlernen werden.
 
Folgende Ratschläge können hilfreich sein:

Nutzen Sie Ihre Augen und Ohren, zur besseren Konzentration auf die Umwelt. Was sehen und hören Sie gerade um sich herum? Sehen und Hören gelten als unsere Fernsinne und halten unsere Aufmerksamkeit im Außen.

Beschreiben Sie innerlich, was Sie mit Ihren Augen und Ohren gerade wahrnehmen. Betrachten Sie die Natur, das Wetter, den Himmel, die belebte und die unbelebte Umwelt. Beobachten Sie andere Menschen, reden Sie fremde Personen an, telefonieren Sie mit Vertrauenspersonen und sprechen Sie über Dinge, die nichts mit Ihrer momentanen Befindlichkeit zu tun haben.

Lesen Sie die Aufschriften auf Häusern, Tafeln oder vorbeifahrenden Autos, beobachten oder zählen Sie die umstehenden bzw. vorbeigehenden Menschen.

Nehmen Sie alle Geräusche in der Umgebung wahr oder lauschen Sie Ihrer Lieblingsmusik. Mithilfe der „Fernsinne“ gelingt es Ihnen leichter, Ihren kinästhetischen Sinn, das heißt das Fühlen und Spüren der körperlichen Empfindungen, zu ignorieren, bis Sie später auch damit erfolgreich umgehen lernen.

Verwenden Sie zusätzlich alle anderen Sinnesorgane, um ein angenehmes Erleben zu fördern und unangenehme Zustände zu überlagern. Trinken Sie Ihr Lieblingsgetränk, essen Sie Ihre Lieblingsspeise, riechen Sie Ihren Lieblingsduft oder alle Gerüche in der Umgebung, lutschen oder kauen Sie in Ihrem Mund etwas, das Sie gerne mögen, stellen Sie sich unter die Dusche, lassen Sie sich massieren oder massieren Sie selbst Ihren verspannten Körper, suchen Sie vor allem auch den wohltuenden Körperkontakt mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin.

Vertiefen Sie sich in eine geistig anregende Tätigkeit. Lesen Sie zu Hause ein spannendes Buch oder eine interessante Zeitschrift. Nutzen Sie den Fernsehapparat, den Computer oder das Handy, um die neuesten Nachrichten zu erfahren. Rezitieren Sie laut ein Gedicht, singen Sie Ihr Lieblingslied oder spielen Sie ein Instrument, wenn Sie dazu in der Lage sind. Vertiefen Sie sich in Kreuzworträtsel, Sudoku-Aufgaben, Geschicklichkeitsspiele oder Spiele mit anderen Personen.

Schaffen Sie sich ein Flow-Erlebnis. „Flow“ bezeichnet das Aufgehen im Tun, das Versinken in einer Lieblingsbeschäftigung, wie etwa einem Hobby, einem Spiel, einem Tanz, aber auch in einem intensiven Erleben, wie im Genießen der Lieblingsmusik oder im wohltuenden Zusammensein mit der Partnerin oder dem Partner. Flow ist eine positive Leidenschaft, ein Genießen ohne besondere Anstrengung, ein Aufgehen im Augenblick, während die Zeit im Nu vergeht und alles andere völlig gleichgültig wird.

Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf jene Tätigkeiten, die Sie demnächst erledigen sollten, wie etwa Kochen, Haushaltsarbeiten erledigen, Einkaufen gehen, Autofahren, Spazierengehen oder im Beruf die momentane Arbeit weiter fortsetzen. Konzentrieren Sie sich auf bestimmte Planungen für die nähere oder fernere Zukunft, wie etwa Einkaufslisten, Kochpläne oder Reisepläne erstellen, Termine für verschiedene Aktivitäten festlegen, diverse Zahlungen oder Reparaturen veranlassen.
 

5. Achtsamkeit üben, Akzeptanz fördern: Nehmen Sie Ihre Körperempfindungen, Gedanken, Vorstellungen und Gefühle achtsam wahr.

 
Personen mit Panikattacken erinnern sich bewusst oder unbewusst an die schlimmsten Panikattacken in der Vergangenheit und fürchten schon die nächste als kurz bevorstehend.
Auf diese Weise wird eine unnötige Kampf-Flucht-Reaktion ohne Bewegung bewirkt, die im Laufe der Zeit zu einer Daueranspannung führt.
 
Ein spezielles Achtsamkeits- und Akzeptanztraining kann Ihnen helfen, mit Panikattacken anders zurechtzukommen als bisher.

Die Methode der Achtsamkeit ermöglicht eine Wahrnehmung des Körpers ohne ständige Ablenkung oder Hinwendung zur Umwelt.

Es soll dabei nichts erreicht werden, wie etwa Entspannung, und auch nichts vermieden werden, wie etwa eine aufkommende Panikattacke. Im gegenwärtigen Moment zu bleiben ist genug.
 
Das nicht wertende Wahrnehmen der momentanen Gedanken, Vorstellungen, Gefühle und Körperempfindungen stellt das Fundament der Achtsamkeit dar.

Das ist das Gegenteil jener Haltung, die man bei Menschen mit Angst- und Panikstörungen findet, die alle körperlichen Regungen gleich als bedrohlich interpretieren.
 
Folgende Ratschläge und Übungen können hilfreich sein:

  • Nehmen Sie Ihren Körper mit allen Empfindungen und Symptomen achtsam wahr, ohne diese in irgendeiner Weise zu bewerten oder verändern zu wollen. Beobachten Sie Ihre körperliche und seelische Befindlichkeit vor, während und nach einer Panikattacke in achtsamer, nicht beurteilender Weise. Kämpfen Sie nicht gegen Ihre momentane Befindlichkeit an, weil dies nur unnötig viel Kraft kostet und Ihre Anspannung dadurch noch größer wird. Erforschen Sie Ihren Körper wie ein interessierter Wissenschaftler, der feststellen möchte, was gerade geschieht. In einer derartigen Beobachterposition treten Sie in Distanz zu Ihren körperlichen Zuständen. Als neutrale Beobachterin oder als distanzierter Betrachter Ihres eigenen Körpers spalten Sie sich gleichsam von Ihrem inneren Erleben ab, sodass Sie von Ihren Symptomen nicht mehr so überwältigt werden wie bisher. Akzeptieren Sie alle körperlichen, kognitiven und emotionalen Zustände als zumindest momentan gegeben und tun Sie das, was Ihnen aufgrund Ihrer Bedürfnisse, Werte und Ziele gerade so wichtig ist, dass Sie sich nach einer kurzen Phase der Erholung und Regeneration auch durch eine Panikattacke nicht davon abhalten lassen.


  • Nutzen Sie die sogenannte Atemmeditation, um Ihren Körper leichter achtsam beobachten zu lernen. Nehmen Sie einige Minuten lang achtsam Ihren Atem wahr und beobachten Sie dabei, wie Sie ein- und ausatmen, ohne Ihre Atmung zu verändern. Nehmen Sie auch wahr, an welchen Stellen Ihres Körpers Sie die Atmung am deutlichsten spüren. Verfolgen Sie den Weg der Einatmung und der Ausatmung. Zählen Sie Ihre Atemzüge, indem Sie bei jedem Ausatmen innerlich eine Zahl weiterzählen, von 1 bis 10 oder von 1 bis 100, fangen Sie danach wieder von vorne an. Zählen hilft Ihnen, achtsam Ihre Atmung zu beobachten, und vermindert die Gefahr, dass Ihr Geist ständig unkonzentriert herumschweift. Sie können anstelle des Zählens beim Einatmen innerlich auch „eins“ sagen, während Ihre Bauchdecke sich hebt, und beim Ausatmen „aus“ sagen, während Ihre Bauchdecke sich senkt. Tolerieren Sie es, wenn Ihre Gedanken häufig abschweifen sollten, und kehren Sie, sobald Sie dies bemerken, immer wieder geduldig zur Aufmerksamkeit auf Ihre Atmung zurück. Übrigens: Je mehr Sie sich ganz bewusst auf Ihre Atmung konzentrieren, umso weniger steht die Beobachtung von gefürchteten Schwindelgefühlen, Herz-Kreislauf- oder Magen-Darm- Symptomen im Mittelpunkt Ihrer Aufmerksamkeit.


  • Machen Sie regelmäßig sogenannte Körperreise-Übungen (Fachausdruck: Body-Scan) im Sitzen oder Liegen. Mithilfe spezieller CDs wird Ihnen diese Aufgabenstellung anfangs leichter gelingen. Nehmen Sie bei geschlossenen Augen der Reihe nach alle Teile und Organsysteme Ihres Körpers bewusst wahr, vom Fuß bis zum Kopf, die linke Körperseite ebenso wie die rechte. Beobachten und spüren Sie, was von Augenblick zu Augenblick in Ihrem Körper geschieht, was gleichbleibt und was sich ändert, ohne bewusst darauf Einfluss zu nehmen und ohne ständig etwas Bedrohliches verhindern zu wollen. Je besser Sie darin geübt sind, umso leichter wird es Ihnen gelingen, sogar die Symptome einer Panikattacke innerlich distanziert und achtsam zu beobachten und mit treffenden Worten zu beschreiben, wie etwa: „Jetzt überfällt mich gerade eine Panikattacke. Ich beobachte alle Symptome ohne angstmachende Bewertung und beschreibe wie ein Wissenschaftler, was ich gerade erlebe: Mein Herz schlägt plötzlich schneller und kräftiger als sonst. Meine Atemfrequenz nimmt zu. Ich kann vor Aufregung kaum richtig durchatmen. Mein Brustkorb fühlt sich beengt an. Mein Mund wird ganz trocken, meine Kehle schnürt sich zusammen. Eine Hitzewelle steigt vom Bauch zum Kopf auf. Jetzt setzt ein heftiges Schwindelgefühl ein, verbunden mit unangenehmer Übelkeit, es steigert sich bis zu einem Ohnmachtsgefühl. Ich stehe aber noch immer, fühle mich jedoch wackelig und unsicher auf den Beinen. Eigenartige Kribbelgefühle und ungewohnte Heiß-Kalt-Empfindungen breiten sich in meinem ganzen Körper aus. Ich schaue auf die Uhr, fünf Minuten sind vergangen, ich nehme wahr, wie meine Symptome langsam abnehmen. Ich fühle mich erschöpft, als wäre ich schwer krank. Ich halte mir vor Augen: Das war eben eine heftige Panikattacke, nichts sonst. Ich bin ganz stolz auf mich, dass ich vor einer Panikattacke nicht mehr davonlaufe und mich voll und ganz darauf einlassen kann, ohne dagegen anzukämpfen. Der Angstanfall ist deswegen schneller verschwunden als früher.“


Nehmen Sie alle Gedanken und Denkmuster achtsam wahr, ohne sie zu unterdrücken oder in positivere umzuformulieren. 

Lassen Sie Ihre Gedanken und bildhaften Vorstellungen während einer Panikattacke kommen und gehen, ohne sich in Ihrem Verhalten dadurch einengen zu lassen, sodass Sie weiterhin das tun können, was Ihnen im Moment am wichtigsten ist. 

Lassen Sie Ihre Gedanken und Bilder dahinziehen wie die Wolken am Himmel, wie das Herbstlaub im Wind, wie das Treibholz im Fluss oder wie die Werbung im Fernsehen. 

Unterscheiden Sie zwischen Ihren Gedanken und der Wirklichkeit, um Ihren Körper nicht unnötig und vorschnell in eine Kampf-Flucht-Reaktion zu versetzen. 

Gehen Sie auf Distanz zu Ihren Gedanken, bildhaften Vorstellungen und Horrorszenarien. Ein Gedanke ist nur ein Gedanke. Eine Vorstellung ist nur eine Vorstellung. Eine Erinnerung ist nur eine Erinnerung. Es handelt sich dabei nicht um die Realität, nicht um eine aktuelle Bedrohung. Das eine sind Ihre körperlichen Empfindungen, das andere sind Ihre Gedanken dazu. Was Sie spüren, das spüren Sie, das ist wirklich da. Die Symptome einer Panikattacke sind nicht gefährlich, sie werden erst bedrohlich durch Ihre angstmachenden Bewertungen und Horrorvorstellungen nach dem Motto: „Was wäre, wenn …?“

Nehmen Sie alle auftretenden Gefühle achtsam wahr, ohne dagegen anzukämpfen. Gefühle sind Botschaften; sie möchten uns etwas mitteilen. Unerkannt führen sie leicht zu Panikattacken, Dauerverspannung und psychosomatischen Störungen. Angst ist oft gar nicht die Ursache, sondern erst die Reaktion auf die ersten Panikattacken. Tatsächlich dominieren vorher häufig ganz andere Gefühle wie Ärger, Wut, Traurigkeit, Bedrücktheit, Enttäuschung, Verletztheit, Verbitterung, Verzweiflung, Schuldgefühle, Peinlichkeit, Ekel, Abscheu oder bestimmte Mischungen von Gefühlen wie Wut und Ärger einerseits und Ohnmacht und Hilflosigkeit andererseits, oft als „ohnmächtige Wut im Bauch“ bezeichnet. Erkennen und akzeptieren Sie die zentralen Gefühle hinter Ihren Panikattacken. Welche Gefühle können bei Ihnen eine Panikattacke auslösen, abgesehen von Erwartungsängsten?
 

6. Gefürchtete Zustände provozieren: Lernen Sie einen besseren Umgang mit jenen Befindlichkeiten, die Sie am meisten fürchten.

 
Provokation statt Vermeidung von Panikattacken ist der schnellste Weg zur Heilung.
Man spricht von einer paradoxen Strategie, wenn Sie ganz bewusst etwas tun, was Sie eigentlich fürchten.
Ihre Panikattacken werden umso häufiger und stärker, je mehr Sie sich davor fürchten und je mehr Sie dagegen ankämpfen.

Haben Sie die Einstellung: „Nur nicht daran denken, sonst geht es gleich los“? Dann sind Übungen zur Panikprovokation die beste Vorbereitung darauf, ähnlich wie Feuerwehrleute und Sanitäter regelmäßig für den Notfall üben.
Zur Erleichterung sollte anfangs eine nahestehende Person für alle Fälle in der Nähe sein, die Ihnen Sicherheit, Vertrauen und auch den nötigen Mut zu derartigen Übungen gibt.

Folgende Ratschläge und Übungen können hilfreich sein:

  • Stellen Sie sich bei geschlossenen Augen eine spontan auftretende Panikattacke im Zeitlupentempo vor. Wie beginnt die Panikattacke, wie erreicht sie ihren Höhepunkt und wie flaut sie wieder ab? Setzen Sie bestimmte Gedanken, bildhafte Vorstellungen und Sätze ein, die eine Panikattacke in der Vergangenheit heraufbeschworen haben, etwa so: „Mir geht es gerade nicht gut. Könnte gleich eine schlimme Panikattacke auftreten? Mit Schwindel und Herzrasen hat damals alles begonnen. Mir wird auch jetzt plötzlich etwas schwindlig und übel. Mein Herz klopft schneller als sonst. Mir wird vom Bauch herauf ganz heiß. Mein Körper beginnt zu schwitzen. Mein Brustkorb schnürt sich zusammen. Ich bekomme kaum Luft. Meine Knie werden ganz weich. Ich fühle mich unsicher auf den Beinen. Gleich falle ich ohnmächtig um. Ein Herzinfarkt wäre das Ende meiner Lebensträume, und ich sehe meine Angehörigen nie wieder. Wenn ich vor lauter Aufregung durchdrehe, lande ich in der Psychiatrie. Dann ist mein Sozialprestige für immer dahin, auch wenn ich alles überlebe.“ Vergegenwärtigen Sie sich dann auch, wie die Panikattacke von allein wieder abebbt und verschwindet. Mithilfe derartiger Übungen soll Ihr Gehirn lernen, dass Ihre Vorstellungen keine bedrohliche Realität, sondern schlimme Erinnerungen oder zukünftige Befürchtungen darstellen und daher momentan keine rettende Kampf-Flucht-Reaktion erforderlich ist.


  • Spielen Sie alle „Was wäre, wenn …?“-Vorstellungen in Zusammenhang mit einer Panikattacke bis zum gefürchteten Ende durch. Typisch sind folgende Horrorszenarien: „Was wäre, wenn die nächste Panikattacke doch tödlich wäre?“, „Was wäre, wenn ich dadurch verrückt würde?“, „Was wäre, wenn ich dadurch unangenehm auffallen würde?“ Welche Gedanken und Bilder kommen Ihnen in den Sinn? Sagen Sie sich danach: „Das sind nur Gedanken, Bilder und Vorstellungen, sie sind nicht die Realität. Wenn meine Befürchtungen wahr würden, wäre das schlimm für mich, aber das ist jetzt nicht so.“


  • Lösen Sie unter kontrollierten Bedingungen, das heißt in sicheren Situationen, gezielt und wiederholt panikähnliche Zustände aus. Provozieren Sie Panikattacken auf jene Weise, wie Ihnen dies am leichtesten gelingt. Erinnern Sie sich an Ihre schlimmste Panikattacke oder stellen Sie sich die nächstmögliche Panikattacke vor. Beschäftigen Sie sich mit angstmachenden Gedanken oder halten Sie sich die Bedrohung Ihrer zentralen Grundbedürfnisse vor Augen. Fordern Sie Ihren Körper nach medizinischer Abklärung. Provozieren Sie Herzrasen und Blutdruckanstieg durch kräftige sportliche Bewegungen, wie etwa 30 Kniebeugen, 10 Liegestütze, längeres Stiegensteigen oder Bergaufgehen. Das ist das beste Training für Ihre Blutgefäße. Hyperventilieren Sie eine Minute lang, indem Sie 45- bis 60-mal durch den Mund ein- und ausatmen. Erzeugen Sie Atemnot, indem Sie die Luft so lange wie möglich anhalten oder ganz enge Räume aufsuchen. Gehen Sie in die Sauna, dort ist es heiß und eng.                                                    

7. Sich selbst coachen: Führen Sie hilfreiche Selbstgespräche.


Innere Dialoge in Form von aufmunternden Selbstinstruktionen erleichtern Ihnen die Bewältigung von Panikattacken. Beim Sprechen ist immer unser menschliches Gehirn, unser Großhirn, aktiv.
Unser Frontalhirn, speziell der präfrontale Kortex, der unser sichtbares Verhalten steuert, hemmt unser emotionales Gehirn, konkret unser limbisches System, vor allem unseren Mandelkern, der – etwas vereinfacht – als das Zentrum der Emotionen und damit auch der Angst gilt.
 
Wir können unsere Gefühle nicht direkt beeinflussen, wir können jedoch mithilfe unserer Sprache indirekt darauf einwirken.
Wir können unsere Angstgefühle durch Sprechen mit uns selbst sowie mit einer personifizierten Panikattacke „in den Griff“ bekommen und auf diese Weise verarbeiten.
 
Treten Sie in einen inneren Dialog mit der Panikattacke und sagen Sie zu ihr: „Komm her, fege über mich hinweg und lass mich dann wieder in Ruhe. Ich fürchte dich nicht mehr so wie früher, weil ich weiß, dass du mir nichts anhaben kannst.“
Formulieren Sie in aller Ruhe hilfreiche Sätze, die Sie sich dann später vor und während einer Panikattacke immer wieder vorsagen wie ein Gedicht, um sich auf diese Weise selbst zu coachen.
 
Halten Sie alle Selbstanweisungen und inneren Dialoge in Ihrem Angsttagebuch oder auf dem Memo Ihres Handys fest und verinnerlichen Sie sich diese so gut, dass Sie sie im Bedarfsfall rasch lesen, hören oder aus dem Gedächtnis abrufen können.
Ermutigen Sie sich mit aufmunternden Worten und beruhigen Sie sich selbst so, wie Sie eine andere Person in belastenden Situationen aufbauen würden.
 
Hilfreich sind folgende Selbstinstruktionen:

  • Das ist nur eine Panikattacke, ich habe sie noch immer heil überstanden. Das ist nur ein kräftiger Adrenalinstoß, er kann mir nichts anhaben. Das ist bereits meine x-te Panikattacke, ich kann sie nicht verhindern, aber ich kann sie schnell vorüberziehen lassen, wenn ich mich nicht mehr so stark wie früher davor fürchte und auch nicht mehr ständig gegen sie ankämpfe.


  • Eine Panikattacke wirkt sehr bedrohlich, sie ist aber nicht gefährlich. Es handelt sich dabei um einen Fehlalarm aus den tieferen Schichten meines Gehirns, das bei vermeintlicher Gefahr ähnlich funktioniert wie bei allen Säugetieren. Mein Mandelkern im limbischen System hat wieder einmal vorschnell reagiert. Mein Stirnhirn, mein denkendes und planendes Gehirn, weiß: Es besteht keine reale Gefahr, sodass ich alles tun kann, was mir wichtig ist.


  • Eine Panikattacke ist eine akute Kampf-Flucht-Reaktion ohne Bewegung, eine vorschnelle Erstarrung, ein Totstellreflex ohne reale Gefahr, ähnlich wie in der Tierwelt, der bei äußerer Bedrohung lebensrettend sein kann. Ich sollte mich jetzt keinesfalls schonen, sondern kräftig bewegen, um diese angst- und panikbedingte Erstarrung rasch zu durchbrechen.


  • Mein Herz ist gesund, mein Blutdruck und mein Puls sind aufgrund meiner Angst nur vorübergehend erhöht, ähnlich wie beim Sport. Ich kann mich bewegen, ohne dass mir dabei etwas Schlimmes passiert. Ein beschleunigter Herzschlag und gelegentliches Herzstolpern ohne Gefäßveränderungen sind völlig ungefährlich. Meine linksthorakalen Brustschmerzen und Schwindelgefühle sind Ausdruck meiner muskulären Verspannung.


  • Meine Atmung ist in Ordnung, ich habe nur ein Beklemmungsgefühl aufgrund meiner Anspannung und Aufregung. Ich kann trotz Atemnot nicht ersticken. Wenn ich jetzt reden, singen oder sogar Sport betreiben kann, dann weiß ich, dass ich genug Luft bekomme und nur innerlich angespannt bin.


  • Mein Schwindelgefühl hängt mit der starken Verspannung meines ganzen Körpers zusammen. Ich kann ohne jede Hilfe frei stehen und gehen und werde nicht umfallen. Ich kann nicht ohnmächtig werden, weil bei einer Panikattacke der Blutdruck ansteigt.


Mein Gefühl des Kontrollverlusts über meinen Verstand hat nichts mit einer beginnenden Schizophrenie zu tun. Es handelt sich dabei um eine emotionale und nicht um eine geistige Verwirrung. Bei einer Panikattacke bleibe ich geistig völlig gesund, ich kann dabei nicht verrückt werden. Die akute Denkblockade hat auch nichts mit einem plötzlichen Schlaganfall oder einer frühzeitigen Demenz zu tun. Schizophrenie und Demenz treten nicht so plötzlich auf wie eine Panikattacke. Eine akute Panikattacke hat auch nichts mit einer schweren Depression zu tun, die sich ebenfalls langsam und nicht binnen von Minuten entwickelt.

Ich gebe einer Panikattacke nicht mehr so viel Macht über mein Leben wie bisher. Ich unternehme jetzt trotz Angst und Furcht alles, was ich mir vorgenommen habe. Ich treffe die Entscheidung, eine Panikattacke zuzulassen, ohne dagegen anzukämpfen. Ich möchte meine Ziele entsprechend meinen Grundbedürfnissen und Werten so rasch wie möglich erreichen, auch um den Preis einer Panikattacke. Ich akzeptiere voll und ganz, dass es mir kurzfristig körperlich und psychisch schlecht gehen kann, im Gegenzug kann ich danach all das erleben, was mir wichtig ist.  
 

8. Mental trainieren: Üben Sie erfolgreiches Handeln in der Vorstellung.

 
Neben inneren Selbstgesprächen ist vor allem auch das Mentale Training hilfreich.
Sportler spielen einen bevorstehenden Wettbewerb im Geist x-mal durch und stellen sich dabei möglichst bildhaft-lebendig vor, wie sie trotz möglicher Probleme erfolgreich handeln.
Mentales Training stellt Ihr Kopfkino mit Ihren ständigen Angst- und Panik-Filmen von Horrorszenarien auf Erfolgsszenarien um.
 
Folgende Ratschläge können hilfreich sein:

  • Stellen Sie sich eine Panikattacke wie eine Meereswelle vor, mit der Sie so zurechtkommen können wie ein guter Schwimmer oder Seemann mit den Wellen des Meeres. Kämpfen Sie nicht dagegen an, sondern bewältigen Sie die Panikattacke in Form von drei Schritten: Kommen-Lassen, Da-Sein-Lassen und Gehen-Lassen. Vergegenwärtigen Sie sich in der Vorstellung, wie die Panikattacke daherkommt, einen Höhepunkt erreicht und dann von allein wieder verschwindet, ohne dass Sie etwas unternehmen müssen.


  • Üben Sie in der Vorstellung, wie Sie einerseits die Symptome einer Panikattacke bewusst wahrnehmen und sich andererseits auf Ihre Ziele und Aufgaben konzentrieren. Auf diese Weise spalten Sie Ihre Person in einen beobachtenden und in einen handelnden Teil. Beschreiben Sie zuerst einmal alle auftretenden Symptome mit treffenden Worten, etwa so: „Mein Herz schlägt unangenehm kräftig und schnell. Mir wird heiß, ich beginne zu schwitzen. Mir wird plötzlich ganz schwindlig und übel. Mein Brustkorb fühlt sich beengt an, ich ringe um Luft. Mein Körper ist ganz angespannt und beginnt in Armen und Beinen zu zittern.“ Besinnen Sie sich danach trotz Ihrer Symptome auf das, was Sie aufgrund Ihrer Bedürfnisse, Werte und Ziele tun und erledigen möchten und sagen Sie sich: „Ich weiß, das ist jetzt eine Panikattacke, sie ist in einigen Minuten vorbei, ohne dass ich etwas dagegen unternehmen muss. Ich setze gleich danach bzw. nach einer kurzen Erholungszeit meine bisherige Tätigkeit fort oder beginne mit dem, was ich mir vorgenommen habe.“  

 

9. Mutig konfrontieren: Stellen Sie sich in der Realität allen gefürchteten Situationen, um positive Erfahrungen zu machen.

 
Unser Gehirn merkt sich eine einzige negative Erfahrung im Interesse unseres Überlebens besser als zehn positive Erfahrungen, auch wenn es sich bei einer Panikattacke nur um einen falschen Alarm gehandelt hat.
 
Es ist verständlich, dass die Betroffenen im Laufe der Zeit immer mehr Situationen meiden, in denen neuerlich eine Panikattacke auftreten könnte, sei dies allein zu Hause oder auswärts zusammen mit anderen Menschen.
Mit jedem einzelnen Vermeidungsverhalten wird dabei der Eindruck bestätigt, dass man einer Panikattacke nur deshalb entkommen ist, weil man ihr gezielt ausgewichen ist.
 
Folgende Ratschläge können hilfreich sein:

  • Stellen Sie sich voll Mut und Entschlossenheit allen Situationen, in denen Sie eine Panikattacke fürchten. Sie entwickeln sonst im Laufe der Zeit auch noch eine Agoraphobie aufgrund der subjektiven Bedrohlichkeit einer Panikattacke, eine Soziale Phobie aufgrund von zunehmenden sozialen Bewertungsängsten, eine Somatoforme Störung oder eine Hypochondrie aufgrund von ständiger Verspannung oder gar eine Depression aufgrund von fehlenden positiven Erfahrungen in Situationen, die Sie ohne Angst vor einer Panikattacke gerne aufsuchen würden.


  • Provozieren Sie ganz bewusst eine Panikattacke in Situationen, in denen sie am wahrscheinlichsten auftritt. Sie werden die überraschende Erfahrung machen: Entweder überfällt Sie gar keine Panikattacke oder sie ist nicht so schlimm, wie Sie vorher gefürchtet haben. Die Überlegung dahinter ist simpel: Wenn Sie eine Panikattacke nicht mehr so fürchten wie bisher, hat sie ihre Macht über Sie verloren. Finden Sie heraus, in welchem Ausmaß eine eventuelle Agoraphobie, Soziale Phobie oder Spezifische Phobie letztlich auf Ihrer Angst vor einer Panikattacke beruht. Verliert Ihre Phobie, das heißt Ihre krankheitswertige Furcht vor äußeren Umständen und Situationen an Macht und Stärke, wenn Sie Ihre innere körperliche und emotionale Befindlichkeit nicht mehr so fürchten wie bisher?


  • Verzichten Sie im Laufe der Zeit auf alle möglichen Hilfsmittel. Auf diese Weise stärken Sie das Gefühl der Selbstwirksamkeit, weil Sie alle Erfolgserlebnisse Ihrer eigenen Leistung zuschreiben. Schleichen Sie in Absprache mit Ihrem Arzt sukzessive alle wegen Panikattacken eingenommenen Medikamente aus, ebenso alle alkoholischen Substanzen, pflanzlichen bzw. homöopathischen Präparate sowie alle sonstigen Tricks und „Krücken“, vor allem auch die anfangs von mir als Sofortmaßnahmen empfohlenen Hilfsmittel und Strategien.

 

10.  Gefühle und Beziehungsprobleme bewältigen: Finden Sie Lösungen für die tieferen Hintergründe Ihrer Ängste.

 
Panikattacken sind oft wichtige Botschaften an die Betroffenen, die es zu enträtseln gilt. Sie stehen in Zusammenhang mit unbewältigten Gefühlen, unerfüllten Wünschen und ungelösten Problemen in Partnerschaft, Familie oder Beruf.
 
Folgende Ratschläge können hilfreich sein:

  • Klären Sie vorhandene Beziehungsprobleme mit Ihrer sozialen Umwelt. Die Angst vor Panikattacken drückt vordergründig ein Beziehungsproblem im Umgang mit der eigenen Person aus. Solange Sie sich jedoch ständig nur mit sich selbst und Ihrem Körper beschäftigen, sind Sie von den oft zugrundeliegenden Beziehungskonflikten mit bestimmten Personen Ihrer sozialen Umwelt völlig abgelenkt. Denken Sie einmal nach: Können Ihre Panikattacken eine Konfliktumleitung von zwischenmenschlichen Problemen auf sich selbst, auf Ihren Körper sein? Angenommen, es geschieht ein Wunder und Ihre Panikattacken sind für immer verschwunden: Sind Sie dann mit Ihrer Lebenssituation zufrieden? Welche Wünsche sind und bleiben unerfüllt und was macht Sie unglücklich, auch wenn es Ihnen wegen ausbleibender Panikattacken nicht mehr so schlecht wie früher geht?


  • Erkennen und bewältigen Sie jene Gefühle, die „hinter“ Ihrer Angst und Panik stehen. Je mehr Sie von der Angst vor weiteren Panikattacken erfasst sind, umso weniger können Sie alle anderen Gefühle erkennen, die im Hintergrund vielleicht vorhanden sind. Was macht Sie traurig? Was hat Sie enttäuscht? Was ärgert Sie? Was löst „ohnmächtige Wut“ aus? Eine Erwartungsangst ist immer nur die Angst vor etwas, das im Moment noch gar nicht da ist. Vor welchen Situationen und Gefühlen haben Sie Angst? Was wäre, wenn das, was Sie fürchten, Wirklichkeit wäre? Welche unerfüllten Wünsche und Bedürfnisse stehen hinter Ihren größten Ängsten?

 
 

Gesundes Vermeidungsverhalten beachten: Vermindern Sie reale Gesundheitsrisiken

 
Menschen mit Panikattacken fürchten sich oft vor dem Falschen, nämlich vor den an sich harmlosen Panikattacken, sie fürchten sich jedoch zu wenig davor, dass sie aufgrund eines ungesunden Lebensstils langfristig schwer krank werden können.

Der Ausschluss einer körperlichen Erkrankung nach den ersten Panikattacken bedeutet nur, dass Sie gegenwärtig gesund sind.

Das heißt aber noch lange nicht, dass dies auch so bleiben muss, wenn Sie sehr ungesund leben und Raubbau an Ihrem Körper betreiben.
 
Haben Sie in der Vergangenheit ein Übermaß an Alkohol, illegalen Drogen, aufputschenden Getränken oder Zigaretten konsumiert?

Haben diese Substanzen die Panikattacken ausgelöst, verstärkt und aufrechterhalten? Sie müssen auf Genussmittel wie Alkohol oder Kaffee nicht gänzlich verzichten, wie dies manchmal empfohlen wird, Sie sollten jedoch zukünftig mehr auf das rechte Maß achten.
 
Vermeiden Sie bedenkliche Lifestyle-Faktoren, wie sie heutzutage weit verbreitet sind: falsche Ernährung mit Fast-Food-Produkten, hochkalorische Snacks statt gesundem Obst und Nüssen, zu wenig oder gar keine körperliche Aktivität, verkürzte Schlafenszeiten, ständige Hektik, stressiges Multitasking, fehlende Ruhephasen.
 
Achten Sie wie Spitzensportler auf die gesunde Mischung von körperlicher Belastung und Erholung und vermeiden Sie jede Selbstausbeutung, die Sie an den Rand der psychophysischen Erschöpfung führt, wo Panikattacken nur das Vorzeichen eines drohenden Burn-out-Syndroms sind.
 
Verstehen Sie Panikattacken als Frühwarnsignale vor dem, was Sie zukünftig meiden sollten, wenn Sie nicht sehenden Auges einem Zusammenbruch entgegengehen möchten.

Das Stichwort Work-Life-Balance gilt auch für Sie, selbst wenn viele Chefs in der heutigen Arbeitswelt dies aus verständlichen Gründen als Reizwort ansehen und nicht gerne hören möchten.
 
Alles, was einen ständig erhöhten Stresshormonpegel bewirkt, ist nicht gesund. Das Dauerstresshormon Kortisol hilft uns, mit großen und unvermeidbarer Belastungen gut zurechtzukommen, schadet uns jedoch langfristig in Form von körperlichen Erkrankungen, wenn wir auf Phasen der Regeneration, Muße und Erholung aus vermeintlichem Zeitmangel gänzlich verzichten.
 
Welche Krankheiten in Ihrer Familie, wie etwa Depressionen, Diabetes, Herz-Kreislauf- oder Magen-Darm-Erkrankungen, könnten auch bei Ihnen durch zu viel Stress ausgelöst werden, wenn Sie nicht rechtzeitig gegensteuern, auch wenn Sie derzeit als völlig gesund gelten?
                            
 

Krank machendes Kontrollverhalten unterlassen: Verzichten Sie auf unnötige Kontrollen Ihres Körpers und Ihrer Gesundheit

 
Die subjektiv lebensbedrohliche Erfahrung von Panikattacken hat Spuren hinterlassen.
Das Gefühl einer erhöhten körperlichen Bedrohtheit ist oft auch nach einer oder mehreren medizinischen Untersuchungen ohne krankheitswertigen Befund nicht gänzlich verschwunden.
 
Verzichten Sie dennoch darauf, übermäßig oft zum Arzt zu gehen, ärztliche Notrufdienste zu kontaktieren oder weitere stationäre Aufenthalte zwecks intensiverer medizinischer Abklärung anlässlich der nächsten Panikattacken in Anspruch zu nehmen.

Bei anhaltenden, immer umfangreicheren medizinischen Untersuchungen beschreiten Sie den Weg in die Hypochondrie.

Oder haben Sie bereits längst vor den Panikattacken unter belastenden Krankheitsängsten gelitten, sodass Sie vollständige oder unvollständige Panikattacken immer wieder als neuen Anlass zu medizinischen Kontrolluntersuchungen betrachten?
 
Bauen Sie durch Sport und regelmäßige körperliche Aktivität wieder ein gesundes Vertrauensverhältnis zu Ihrem Körper auf, statt mehrmals täglich Puls und Blutdruck zu messen, Angehörige ständig zu Ihrem Gesundheitszustand zu befragen und damit als „Reserveärzte“ zu missbrauchen, unnötig viele Psychopharmaka, pflanzliche, homöopathische und sonstige Mittel einzunehmen, diverse heilende Tees zu trinken, medizinisch nicht angezeigte Nahrungsergänzungsmittel und Vitamintabletten zu schlucken.
 
Verzichten Sie im Laufe der Zeit auch auf die Mitnahme oder Einnahme eines rasch, in der Regel innerhalb einer halben Stunde wirksamen Beruhigungsmittels, das heißt eines Tranquilizers aus der Gruppe der Benzodiazepine, wie diese von Ärzten für den Notfall oft verordnet werden.

Doch was ist ein „Notfall“, wenn Sie ohnehin wissen, dass Sie an einer Panikattacke nicht sterben können?

Betrachten Sie die Einnahme eines Beruhigungsmittels so wie die Einnahme eines Schmerzmitteln bei fönbedingten Kopfschmerzen:
 
Wenn Ihnen das Medikament hilft, Ihre Aktivitäten fortzusetzen und Ihre Pläne auszuführen, wie etwa bei Flugangst aufgrund von Panikattacken einen Flug zu buchen, dann rechtfertigt dieser „höhere Zweck“ den vorübergehenden Einsatz eines Tranquilizers, der bei längerer, das heißt mehrmonatiger regelmäßiger Einnahme zur Abhängigkeit führen würde. 

Wenn Sie mithilfe des Beruhigungsmittels nur unangenehme Missempfindungen vermeiden oder minimieren wollen, ohne gleichzeitig das zu tun, was Ihnen wichtig ist, stehen Sie am Anfang eines chronischen Substanzmissbrauchs.
 
 

Krank machendes Vermeidungsverhalten überwinden: Gehen Sie raus aus jeder ungesunden Schonhaltung

 
Menschen mit Panikattacken sind bei ungesunder Schonhaltung auf dem besten Weg in die Hypochondrie, falls sie nicht schon vorher leichtere krankheitsängstliche Tendenzen gezeigt haben.

Viele Betroffene waren früher recht sportlich, sie haben sich jedoch aufgrund eines zunehmenden hypochondrischen Schon- und Vermeidungsverhaltens zu Couchpotatos entwickelt und verbringen, falls sie im Laufe der Zeit auch noch eine Agoraphobie bekommen, ihre Freizeit fast nur mehr im Internet und vor dem Fernsehapparat.
 
Die Vermeidung von Panikattacken über den Weg der Umgehung jener Situationen, in denen sie auftreten könnten, engt Ihren Aktionsradius immer mehr ein und macht Sie zunehmend abhängig von Vertrauenspersonen und allen möglichen Hilfsmitteln.

Das Motto lautet: „Vermeiden Sie das Vermeiden, wenn dieses Sie nicht gesünder, sondern kränker macht.“
 
Nicht die Panikattacken an sich, sondern erst das Schon- und Vermeidungsverhalten bewirkt erhebliche Probleme in Partnerschaft, Familie und Beruf.
 
Ohne Burn-out-Syndrom und ohne depressive Episode sollten Sie nach Panikattacken bei Ausschluss einer ernsthaften Erkrankung bald wieder in die Arbeit gehen, statt längere Zeit im Krankenstand zu bleiben, weil dies nur unproduktives Grübeln und ängstliches Sich-Sorgen fördern würde.
 
Wenn Sie schon zwei oder drei Wochen in Krankenstand gehen, sollten Sie in dieser Zeit alle früheren sozialen und körperlichen Aktivitäten ohne Schon- und Vermeidungsverhalten ausführen, um Ihr körperliches Selbstvertrauen zu stärken. Sie sollten auch Ihre Freizeit- und Urlaubspläne nicht ändern.
 
Es gilt die Empfehlung: Wenn Sie aus medizinischer Sicht gesund sind, sollten Sie sich auch entsprechend gesund verhalten.
 
Menschen mit einer unbewältigten Panikstörung entwickeln im Laufe der Jahre oft eine Somatoforme Störung, vor allem eine Somatisierungsstörung, einen Somatoformen Schwindel oder eine Schmerzstörung, weil sie sich zu schonen begonnen haben und die Stresshormone nicht mehr durch heilsame körperliche Aktivität abgebaut haben, manchmal auch bedingt durch vermeintlichen Zeitmangel wegen beruflicher und/oder familiärer Verpflichtungen.
 
Zahlreiche Menschen mit Panikstörung betrachten sich nicht nur selbst weiterhin als reine Panikpatienten, sondern werden auch von zahlreichen Ärzten noch immer so diagnostiziert und behandelt, obwohl sie schon längst eine Somatoforme Störung aufweisen.

Ein typisches Beispiel dafür sind Menschen mit Somatoformem Schwindel und „atypischen“, das heißt verspannungsbedingten, meist linksthorakalen Brustschmerzen.
 
Die Gruppe der Somatoforme Störungen wird übrigens im neuen ICD-11 abgeschafft und in "Somatische Belastungsstörung" umbenannt.
 
Bedenken Sie auch: Jede Vermeidungshaltung begünstigt die Entwicklung einer Depression, sobald Sie im Laufe der Zeit auf all das verzichten, was Ihnen im Leben bisher wichtig und wertvoll war.